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Federico Fellini - Roma
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Fellini, Federico:
Roma

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(Bücher frei Haus)

2009 wurde in der Nähe von Rom, in Ostia, dem ehemaligen Hafen der imperialen Hauptstadt ein Amphitheater gefunden, das immerhin 2000 Personen fasste. Am Rande der Ausgrabungen fand man auch ein Vergnügungsviertel mit Bars, Bordells und allem was noch so dazugehört. Ähnlich kann man sich auch Fellinis Rom vorstellen, in dem neben antiken Ausgrabungen vor allem ein Charakteristikum der römischen Zivilisation übrig geblieben ist: die Prostitution. Am Ende seines Films zeigt Fellini die Grabungen für die U-Bahn in Rom in den Siebziger Jahren, die immer wieder unterbrochen werden mussten, weil die Fräse auf Zeugnisse der Antike stieß, aber wohl auch wegen der römischen Bürokratie, deren Briefwechsel ganze U-Bahnschächte füllen könnten. Immerhin acht Schichten wurde hinuntergegraben, schon in der dritten Schicht Katakomben und ähnliches entdeckt. Unter teilweise unwürdigen Bedingungen mussten die „buccaioli“ (die Arbeiter, die die Löcher gruben) arbeiten, 10 Stunden pro Tag, viele wurden natürlich auch krank davon, wie es auch Fellini in seinem Film zeigt.

Das Volk von Rom als Protagonist

Die Geschichte, die in der deutschen Version (auch: Englisch, Französisch und Spanisch, aber kein Italienisch) von einem Ich-Erzähler begleitet wird, fängt noch im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs an, eigentlich geht sie aber sogar bis in die Zwanziger zurück, denn auch der italienische Faschismus und der Duce werden karikiert. Die Leistungen des Faschismus seien vor allem gewesen: die Fliegen zu vertreiben und Pünktlichkeit im Zugverkehr, etwas was sich europäische Touristen in Italien heute noch vergeblich wünschen. Eine eher groteske Szene zeigt etwa wie ein Mann und eine Frau in einem Tunnel aufeinander zulaufen und ihre Schatten am Rande mitlaufen, um sich sogleich zu umarmen, aber nur die Schatten. Selbst als die beiden Personen längst weg sind, umarmen sich die Schatten immer noch, auch noch als die Rettung einige Minute später vorbeifährt. In verschiedenen Episoden wird dann an die Jetztzeit (1972) herangeführt, wobei ein schöner junger Mann im Trenchcoat wohl so etwas wie der Protagonist sein könnte, aber das kann man bei Fellinis chaotischer Erzählweise eigentlich gar nie so wirklich sagen, denn vor allem die Nebenfiguren werden bei ihm zu Hauptfiguren, die einfachen Menschen mit all ihren Defekten und sympathischen Charaktereigenschaften. Die Frau des Apothekers etwa, die schlimmer gewesen sein soll, als Messalina. Vor ihrem Auto stehen die Männer Schlange und sie tanzt in die römische Nacht, weil sie es genießt so beliebt zu sein. Wenn das der Apotheker wüsste…

Der Bauch von Rom

„Essen ist eine ernste Sache in Rom“, seien es Schnecken, die anscheinend – ebenso wie Zabaione - eine aphrodisierende Wirkung hätten oder einfach nur die landesübliche Pasta, die aus vollen Tellern geschöpft oder gesaugt wird. Die Römer würden gerne essen, besonders gerne abends und besonders gerne draußen, im Freien, weil man je gesehen werden wolle. Eine weitere Szene erinnert an Godards „Weekend“, wenn das Kamerateam über die Autobahn nach Rom reinfährt und in einen Stau gerät, der dann vor dem Colosseum endet. Tote Kühe liegen auf dem Weg, ein Esel in einem Forza Napoli Bus, Polizisten, Demonstranten mit dem Transparent „No al potere borghese!“ (Nein zur bürgerlichen Macht!), Pferde oder Kutschen reihen sich ein in den Stau, es regnet in Strömen. Auf einem Filmkran stehend schaut einer `gen Rom und wird gefragt, was er sehe. Und ein anderer antwortet: „Wenn du Leute siehst, die arbeiten, dann ist es nicht Rom, dann ist es eine andere Stadt.“

Die Seele von Rom

Schließlich besucht Fellini noch ein Bordell für die Armen und eines für die Reichen und in beiden preisen die „Damen von Welt“ sich selbst laut schreiend oder sogar blöckend wie ein Stück Vieh an. Hier taucht übrigens auch unser junger Protagonist wieder auf, der sich gleich die geheimnisvollste „Königin der Nacht“ aussucht. Die Huren beschimpfen geradezu ihre Freier; als „Schlappschwänze“ die einen, als „Feiglinge“ die anderen. „Ich bin ein einziges Feuer, wer will mich löschen?“, schreit eine andere Dame zu ihren verängstigten Kunden. Ein weiterer Szenenwechsel führt dann vom Bordell ins Varieté, wo sich das einfache Volk vergnügt. Clowns, Spaßmacher und Sängerinnen wechseln sich bei diesem traurigen Abendprogramm ab, eine tote Katze fliegt als Bezeugung des Missfallens auf die Bühne, immer wieder werden die Künstler auf der Bühne von den Künstlern im Auditorium bei ihren Auftritten gestört: einer der Zuschauer beherrscht nämlich die Kunst der „pernacchia“ (Furzen mit dem Mund nachahmen) und bringt diese lautstark zum Ausdruck. „ Tu che m’hai preso il cuor/sarai per me/il solo amor/No, non ti scorderò,/vivrò per te,/ti sognerò…/te o nessuna mai più/ormai per me,/come il sole sei tu,/lontan da te è morir d’amor/perché sei tu che m’hai rubato il cuor/Te o nessuna mai più/ormai per me,/come il sole sei tu, /lontan da te è morir d’amor/perché sei tu che m’hai rubato il cuor...”, wird von einem jungen Mädchen intoniert und jetzt verstummen auch die aufmüpfigsten Zuseher. Zu Deutsch: „Dein ist mein ganzes Herz“ aus Franz Lehars Operette „Das Land des Lächelns“, wie passend wäre dieser Titel auch für Italien und seine Hauptstadt.

Rom als Zuhause: Stadt des Lächelns

Den berühmten Schlusspunkt – neben dem U-Bahn-Bau - setzt Fellini dann noch mit der Modenschau für Novizinnen, Kardinäle und den Papst selbst. Im „in“-Viertel Trastevere wird der amerikanische Schriftsteller Gore Vidal, der in Rom lebte, interviewt, der sagt: „Rom ist die ideale Stadt, um zu sehen wie alles endet.“ Beim berühmten Straßenfest „Festa de Noantri“ (ein urtümliches Volksfest das an einem Sonntag in der zweiten Julihälfte in Trastevere stattfindet, mehr Info: http://www.romaspqr.it/ROMA/Curiosit%C3%A0/Festa_de_noantri.htm ) wird auf der Piazza de Renzi getanzt, demonstriert und geprügelt und sogar ein Boxkampf abgehalten. Der Erzähler schließt mit den Worten: „Rom wandelt sich. Wird Deins. Es ist keine Stadt mehr, sondern eine Wohnung, in der die Straßen zu Korridoren und die Plätze zu Zimmern werden, wo die Brunnen und Paläste ein seltsam familiäres häusliches Aussehen bekommen.“ Rom als Zuhause, die Stadt des Lächelns und Lachens.

Federico Fellini (Regie)
Roma
Mit Gore Vidal, Anna Magnani, Peter Gonzales, Fiona Florence, Pia de Doses u.v.m.
1972/2011
113 Minuten
www.zweitausendeins.de

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2011-02-16)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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