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Keith Gessen - Occupy!
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Gessen, Keith:
Occupy!

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(Bücher frei Haus)

Der Zuccotti Park in New York ist ein etwa 3000 Quadratmeter große Anlage im Financial District in Lower Manhattan, die entgegen ihres Namens gar nicht grün ist, sondern ein mit Stein und Betonplatten ausgelegtes Areal, das der Immobilienfirma Brookfield Properties gehört. Da sich die Anlage nicht im Eigentum der Stadt New York befindet, gelten die üblichen Öffnungszeiten von Parks nicht und so konnte der Zuccotti Park am 17. September 2011 ganz einfach von den Occupy Wall Street Besetzern in Anspruch genommen werden. Die Demonstranten wollten gegen soziale Ungerechtigkeit in den USA und die Macht der Banken protestieren und bald erwuchs daraus eine weltweite Bewegung, die – laut Astra Tylor – etwa am 15. Oktober weltweite Solidaritätskundgebungen von Amsterdam bis Seoul, Tokio und Madrid sah. „Die Bewegung wurde von zahlreichen Gewerkschaften unterstützt, von vielen Prominenten besucht, von den Mainstream-Medien thematisiert und von hohen Mitarbeitern des Weißen Hauses gewürdigt, sogar vom Präsidenten (!) persönlich, schreibt Taylor. 67 Prozent der New Yorker würden die Ansichten der Demonstranten teilen und fast drei Viertel von ihnen eine Millionärssteuer begrüßen. Sogar der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, der anfangs von einem gefährlichen Klassenkampf warnte, konnte nicht umhin sich indirekt mit den 99%, wie sich die Besetzer selbst nannten, indirekt zu solidarisieren: „Ich sorge mich nicht um die reichsten 1 Prozent und verstehe wie sich die Demonstranten fühlen.“ Der CNN-Mitarbeiter Erick Erickson schreibe sogar „Wir dürfen den ungewaschenen Hippies nicht das Feld überlassen“, wohlwissend, dass jedem, der über die Wall Street schimpft gerne zugehört wird. Natürlich ging es Leuten wie Erickson oder Cantor (der Sprecher der Reps) nur um Einschaltquoten, aber interessant ist doch, dass sich der politische Kurs nach links verschoben hat und die kulturelle Hegemonie sogar die Republikaner zwang, ihre Positionen „anzupassen“.
Die durchaus erfolgreiche Zwischenbilanz, die eine der Herausgeberinnen dieser Publikation, hier zieht, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, was wirklich wesentlich ist und wer könnte dies besser in Sprache gießen, als Slavoj Zizek, der slowenische Philosoph, der sich von Anfang an mit den Forderungen der Besetzer solidarisch erklärte, aber auch vor Siegestaumel warnt: „Karnevalsfeiern sind billig zu haben – entscheidend ist aber, was am Morgen danach noch davon übrig ist, ob und wie sich unser Alltag ändern wird.“ Zizek weist die Anschuldigungen zurück, dass die Besetzer nur Kommunisten seien, wie einige in Kalter Kriegs Rhetorik verhaftete Gegner der Bewegung sie diffamierten. „Man nennt die Besetzer Sozilaisten – dabei gibt es in den USA schon einen Sozialismus: für die Reichen. Man wirft ihnen vor, sie (die Besetzer) würden das Privateigentum nicht respektieren – aber die Spekulaitonen an der Wall Street, die zum Crash von 2008 führten, haben mehr hart erarbeitetes Privateigentum vernichtet, als die Demonstranten je zerstören könnten – denken wir nur an die vielen zwangsversteigerten Häuser.“ Die Globalisierung habe zweifellos begonnen die Legitimation westlicher Demokratien zu untergraben, man müsste die demokratische Kontrolle auf die Ökonomie ausweiten. „Wir sollten uns nicht dem Narzissmus der verlorenen Sache hingeben und die erhabene Schönheit zum Scheitern verurteilter Aufstände bewundern.“, meint Zizek zu recht. Die Intellektuellen hätten die Aufgabe die Fragen zu formulieren, denn die Situation gleiche der Psychoanalyse, wenn der Patient die Antwort kennt, aber nicht weiß, was sie beantworten, sodass der Analytiker eine Frage formulieren muss. „Nur durch solch geduldiges Arbeiten wird ein Programm entstehen.“ Weitere Beiträge stammen von Judith Butler, Joseph E. Stiglitz oder Mark Greif. Lobend muss auch das Glossar und der kurze biographische Überblick über die beteiligten Personen hervorgehoben werden.

Herausgeber: Carla Blumenkranz, Keith Gessen, Christopher Glazek, Mark Greif, Sarah Leonard, Kathleen Ross, Nikil Saval, Eli Schmitt, Astra Taylor
Occupy!
Die ersten Wochen in New York. Eine Dokumentation
Broschur, 95 Seiten
ISBN: 978-3-518-06221-0

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2012-01-22)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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