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Rezensionen


 
Jack London - König Alkohol.
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London, Jack:
König Alkohol.

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(Bücher frei Haus)

König Alkohol! Keinen besseren deutschen Titel hätte man für die „alkoholischen Memoiren“ – so der Roman im amerikanischen Original – Jack Londons finden können, obwohl sich der Autor selbst in einem amikal duzenden Zwiegespräch mit „John Barleycorn“ - dem König - befindet, der ihm sein Leben zum Himmel und zur Hölle auf Erden zugleich macht. Die allegorische Namensgebung für den Teufel Alkohol geht auf den schottischen Dichter Robert Burns zurück, der die Gerste (barley) und das Korn zum Synonym für den König aller Fruchtsäfte macht. König Alkohol sorgt für Kraft und Energie, aber auch für maßlose Selbstüberschätzung und frühen Tod, der im Falle Jack Londons schon mit 36 Jahren begann, als er an quälenden Zahnschmerzen, Rheumatismus, einer schleichenden Urämie, Nierensteinen erkrankte, die mit Salvarsan und Morphium behandelt wurden und bereits drei Jahre später (mit 39!) zu seinem Tod führten. Natürlich sind seine Krankheiten nicht allein auf den Alkohol zurückzuführen, sondern auch auf die harten Arbeitsbedingungen und diätischen Zustände der damaligen Zeit. Aber wer den Alkohol wirklich verteidigen möchte, lese zuerst Jack Londons autobiographische Lebensbeichte, bevor er klein beigibt.

Ein Trinker als Prohibitionist?
Tatsächlich wurde Jack Londons Buch von der Prohibismus-Bewegung für ihre Ziele benutzt und führte am 17. Januar 1920 bis zum Dezember 1933 zur vollständigen Illegalisierung des grausamen Gesöffs. Dabei ist das Buch selbst – so wie sein Autor – voller Widersprüche gegenüber dem Inhalt seines Begehrens. So schreibt London am Ende seiner Beichte etwa: „Ich liebe den sprudelnden Witz, das herzhafte Lachen, die widerhallenden Stimmen der Männer, die mit einem Glas in der Hand die graue Welt aussperren und ihr Hirn mit beschleunigtem Puls zu Späßen und Narrheiten anstachelen“, um gleich darauf, im nächsten Absatz zu erwidern, dass er froh gewesen wäre, wenn seine Vorfahren John Barleycorn schon vor seiner Zeit verboten hätten. Das Gebot der Stunde – also Anfang des 20. Jahrhunderts – sei es, die Krankheit des 19. Jahrhunderts auszumerzen, denn sie habe schon zu viele Tote und Kranke verursacht. Alkohol spielt aber auch heute noch eine wesentliche Rolle beim „geselligen Beieinandersein“, oder wie London es ausdrückt: „Kameradschaft und Alkohol sind siamesische Zwillinge“. Schließlich sei es auch dem Alkohol zu verdanken, dass er sich schon als Jugendlicher vor den erwachsenen Männern Respekt verschaffen konnte, denn mit jedem geleerten Glas mehr, stieg ihre Achtung vor ihm proportional an.

Der perfide Kamerad John Barleycorn
„Die Männer sind Verschwender, Abenteuersucher und Spiel und am Ende werden sie nur durch die Frauen gerettet“, resümiert London, denn sie seien die „eigentlichen Bewahrer der menschlichen Rasse“. Als erzählerischen Trick beginnt London seinen Roman mit der Abstimmung über das Frauenwahlrecht in den USA, das bundesweit erst nach Londons Tod im Jahre 1920 eingeführt wurde, aber in einigen Staaten – etwa New Jersey – schon 1776 bestand. Frauen würden sich laut London für das Verbot des Alkohols aussprechen, denn sie seien die eigentlich Leidtragenden der Droge, wie London betont. Denn nicht sie seien die Herren ihres Schicksals, sondern König Alkohol, der ein so leises Gift ist, dass er einen sogar befähigt monatelang darauf zu verzichten und sich der Illusion hinzugeben, dass man seiner Freundschaft nicht mehr bedürfe, bis es dann wieder von Neuem losginge: „Ich erklärte, ich wolle bloß trinken, wenn wir im Hafen lagen.“ Auf See würde sein Körper gereinigt werden, um dann an Land ins nächste Delirium zu torkeln. „Aber ganz nebenbei muss doch angemerkt werden: Wenn man anfängt, `intelligent und vernünftig´ zu trinken, ist das ein deutliches Symptom dafür, wie weit man auf dem Weg schon fortgeschritten ist.“

Regelmäßig Einsam
„Komm trink ein Glas, dann erklär ich Dir alles“, flüstert John Barleycorn und so schlittert der Trinker von einer der zwei tödlichsten Trinkgewohnheiten in die andere: regelmäßiges und einsames Trinken. Mit unglaublicher Präzision und Einfühlsamkeit schildert Jack London, der Zeit seines Lebens trank obwohl er weder unglücklich noch einsam war, das Dilemma des Trinkers, der weder aufhören noch weitermachen kann und sich immer wieder über ein paar trockene Wochen rettet, um dann umso mehr wieder in die alten Gewohnheiten zu verfallen. Wer einmal so sozialisiert wurde, hat keine Chance, selbst dann nicht, wenn ihm der Alkohol eigentlich gar nicht schmeckt, wie London immer wieder betont. Was abhängig macht ist die zwanglose Gesellschaft und die Geselligkeit, die es in einem repressiven System aber ohne Alkohol gar nicht gibt. König Alkohol macht selbst Stumme sprechen, bringt Taube zum Hören und macht Lahme gehen. Die Illusion bleibt. Auch wenn alles andere verschwindet. „Es sind diese guten Typen, die er (John Barleycorn, JW) erwischt – Burschen mit Feuer und Schwung, die Wärme und Großzügigkeit und die besten menschlichen Schwächen mitbringen. John Barleycorn löscht das Feuer, lähmt die Beweglichkeit, und wenn er sie nicht direkt tötet oder in den Wahnsinn treibt, dann vergröbert, verdreht und entstellt er sie, bis ihr Wesen seine ursprüngliche Güte und Schönheit verliert.“

the devil made me do it
Ein Buch wie eine Offenbarung. Besser wie jede Rehab. Ein echter, nachhaltiger Rausch, der andauert. Und dauert. Auch wenn nach der Einführung des Frauenwahlrechts der Alkohol immer noch nicht verboten ist, sondern im Gegenteil im 20./21. Jahrhundert „die“ Frauen wahrscheinlich sogar noch mehr trinken als die Männer, wäre nach der Anti-Raucher Kampagne vielleicht auch etwas Alkohol-Aufklärung notwendig: Alkohol schädigt nämlich nicht nur die inneren Organe, zu seinen medizinischen Risiken gehören auch Leberzirrhose, Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, Gallensteine, Mundhöhlenkrebs, Speiseröhrenkrebs, Magenkrebs, Zerstörung des Immunsystems, chronische Depressionen. Verheerend auf die Gesellschaft wirkt sich vor allem der durch Alkoholmissbrauch ausgelöste Kontrollverlust aus: the devil made me do it. Die meisten Verbrechen wie Gewalt oder Raubüberfälle werden von Alkohol mitbeeinflusst, Selbstüberschätzung und der Allmachtglaube endlich selbst König zu sein sind nur zwei Illusionen, die durch John Barleycorn ausgelöst werden. Denn der König ist er. Und dieser macht jeden, der an ihn glaubt zum Bettler.

Jack London
König Alkohol. Roman.
Neu übersetzt von Lutz-W. Wolff
287Seiten
2014
dtv

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2014-07-21)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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