Selbst nur wenig mehr als ein Jahr älter als der Autor des vorliegenden Buches, habe ich den journalistischen Weg von Reinhard Mohr vom Pflasterstrand, den ich regelmäßig las, über die taz und die FAZ all die Jahre und Jahrzehnte verfolgt.
Und natürlich habe ich, mal mehr, mal weniger selbstkritisch meinen eigenen Weg vom spontaneistischen Studenten bis zum etablierten Theologen angesehen. Und ich habe dabei gemerkt, so ähnlich, wie es Reinhard Mohr in seinem köstlichen Buch beschreibt, dass ich immer öfter nicht mehr meiner Meinung war. Befiel mich zu Beginn noch manches Mal die Angst, dass es wohl jetzt so weit sei, und ich „nachgedunkelt“ sei, wie wir das als Studenten oft befürchteten, wenn wir uns die Etablierten anschauten, musste ich doch mit jedem Jahr mehr feststellen, dass ich zu vielen Dingen und Erscheinungsformen tatsächlich meine Meinung nicht nur geändert hatte, sondern die neue Meinung auch genauso begründen konnte, wie die frühere, wenn nicht sogar besser.
Und nach längerem Nachforschen kam ich zu der Erkenntnis, dass es nicht nur das regelmäßige Gehalt ist, das diese Veränderungen verursacht (Sein bestimmt Bewusstsein), sondern dass es auch so etwas wie innere Reifung, Erfahrung und Lebensweisheit ist, die mich viele Dinge anders sehen lassen als früher.
Ich habe deshalb das Buch von Reinhard Mohr mit wachsender Begeisterung und vielen Wiedererkennungsmomenten gelesen. Und auch mit seinem Schluss habe ich mich angefreundet:
„Letztlich hält mich ja doch der Widerspruch am Leben. Die Aufregung. Der Trubel. Der ständige Protest gegen Dummheit und Unverschämtheit. Und das Gefühl, die Welt mit alldem nicht allein lassen zu dürfen. Sagen wir es so: der Kampf muss weitergehen. Irgendwie.“
Reinhard Mohr, Bin ich jetzt reaktionär. Bekenntnisse eines Altlinken, Gütersloher Verlagshaus 2013, ISBN 978-3-579-06638-7
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-06-25)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.