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Christian Reichhold - Die Eden - Eine Wiener Zeitgeschichte
Buchinformation
Reichhold, Christian - Die Eden - Eine Wiener Zeitgeschichte bestellen
Reichhold, Christian:
Die Eden - Eine Wiener
Zeitgeschichte

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(Bücher frei Haus)

„Man muss mit der Zeit gehen, sonst muss man mit der Zeit gehen“, soll der Musiker Bill Grah, der von den Autoren im Vorwort zitiert wird, einmal gesagt haben. Das gilt aber nicht für die Eden-Bar, denn die hat sich seit 1911 kaum verändert. Erst vier Besitzerwechsel hat sie in dieser langen Zeit hinter sich. Die Wiener Institution seit 101 Jahren, leicht in der Wiener Innenstadt zu finden, ist nicht nur seit jeher der Tummelplatz für die Vertreter der sogenannten gehobenen Gesellschaft aus Politik, Wirtschaft und Kultur, sondern auch ein Milieu in der sich ein Sittenbild der Ersten und Zweiten Republik und sogar der Monarchie nachzeichnen ließe. Als Casino für Offiziere gegründet, musste man damals entweder Uniform oder Frack tragen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden diese Vorschriften nur leicht gelockert, obwohl die Besitzerin selbst, Emma Anna Steininger, eigentlich aus dem Opern- und Operettenmilieu stammte. Sie soll selbst auch in ihrer Bar als Sängerin aufgetreten sein und getanzt wurde damals in der Eden auch.

Eine Wiener Geschichte
Während des Austrofaschismus und Nationalsozialismus ging es der Eden so schlecht, dass sie fast täglich exekutiert wurde. Der Geliebte der Besitzerin, Otto Bum, konnte sich vor dem Einmarsch gerade noch rechtzeitig nach Frankreich absetzen, tragischer war allerdings das Schicksal der Besitzerin selbst: man beschlagnahmte ein Radio bei ihr und bezichtigte sie des Umgangs mit Juden und der Verbreitung regimefeindlicher Informationen. 1942 wurde sie verhaftet und für drei Jahre ins Zuchthaus Aichach gesperrt. Nach 28 Monaten Haft kam sie wieder frei und fand in der Eden eine Suppenküche. Erst nach dem Krieg bekam sie ihre Bar dann wieder zurück, aber war selbst viel zu gebrechlich und alt, um dies noch nützen zu können. Eines von vielen tragischen Schicksalen der furchtbaren Schreckensherrschaft des NS-Regimes in Österreich. Gabor Kenezy, der zweite rechtmäßige Besitzer der Eden, sollte Frau Steininger ab 1953 die Leibrente zahlen, doch sie verstarb noch im selben Jahr und so begann die „Ära Kenezy“.

Ein Wiener Original
Neuerdings ins Gespräch kam die Eden-Bar Mitte der 70er. Der „Nachtclub-König“ Heinz Werner Schimanko übernahm die Eden und ihm haftete ein zweifelhafter Ruf an. Als Besitzer von Lokalen und anderen „Örtlichkeiten“ wo sich Prostitution abspielte, bezeichnete man bald auch Schimanko selbst als „Strizzi“, aber abgesehen davon, lag nie wirklich etwas gegen ihn vor, Schimanko war bei Übernahme der Bar nie straffällig geworden. Kenezy hingegen hatte Spielschulden und so kamen die beiden wohl irgendwie ins Geschäft. Schimankos Mutter soll ihm seine Karriere nie vergönnt haben. Trotz bezahlter Mallorca-Urlaube und Rolls Royce Eskorten zum Flughafen soll sie – die zeitlebens Putzfrau war - einmal zu ihm gesagt haben: „Alles ja ganz schön. Aber wenn du zu einer Bank gegangen wärst, hättest du wenigstens einen anständigen Job gehabt.“ Zumindest hatte er aber einen schönen Tod, denn er starb - erst 61-jährig - nicht mit seiner, sondern auf einer Frau. Und es soll nicht seine Ehefrau gewesen sein.

A bissl `Après´ halt
In vielen weiteren Anekdoten und Erzählungen, sowie 154 Farbfotos, zeigen die Autoren ein unterhaltsames Sittenbild der Wiener Nachkriegsgeschichte. Sie haben in zahlreichen Gesprächen mit Zeitzeugen und der Durchsicht zahlloser Fotos und Gästebücher das Buch selbst recherchiert und sind so manchen Legenden auf den Grund gegangen. Aber wie so oft findet sich die „reine Wahrheit“ halt doch eher in einem Gläschen Wein und es muss kein Wiener sein. Wie sang schon der Qualtinger 1961 in „Da Papa wird`s scho richtn“: „Do nailich, da sitzma in da Eden und redn/(…) Die Weiber die hamma schon nach Haus expetiert/Mir worn schon, wie ma so sogt, `Après´/Und weil ma daun trist und a bissl nochdenklich wird/Passiert's dassma richtiggehend philosophiert/Das is schon so, bei der Jeunesse dorée!“ Und wenn man halt „ein bissl ein Problem“ hat, dann sitzt man sich in die Eden und stimmt ein in den Refrain: „Da Papa wird`s scho richtn…"

Christian Reichhold/ Martin R. Niederauer

Die Eden - Eine Wiener Zeitgeschichte
Von Liane Augustin und Helmut Qualtinger bis Heinz Werner Schimanko
Amalthea
1. Auflage, 232 Seiten, mit 154. Abb.
ISBN: 978-3-85002-767-0
Preis: 24.95 EUR

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2012-08-08)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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