
|
Rezensionen  
|
Martin Suter - Montecristo
Jonas Brand, der junge Protagonist von Martin Suters neuem Roman, ist ein mäßig erfolgreicher freischaffender Videojournalist. Er träumt davon, irgendwann richtige Filme zu machen und sein schon jahrelang in ihm reifendes Projekt „Montecristo“ hat, wie er findet, das Zeug zu einem Blockbuster.
Seiner neuen Freundin Marina Ruiz erklärt er den Plot so: „Ein junger Mann hat eine Dotcom-Firma gegründet, mit der er Millionen macht. Während seiner Ferien in Thailand wird ihm eine große Menge Heroin ins Gepäck geschmuggelt. Er wird erwischt und kommt als Dealer ins Gefängnis. Der Fall erregt Aufsehen in seiner Heimat, aber als seine drei Geschäftspartner, die sein Anwalt als Zeugen bestellt hat, ihn überraschend belasten, verliert die Öffentlichkeit das Interesse. Der Mann bekommt lebenslänglich und verschwindet in einem der berüchtigten Gefängnisse Thailands. Seine Geschäftspartner erhalten die Kontrolle über die Firma und verkaufen sie für ein Vermögen.“
Doch wie dem literarischen Vorbild von Dumas gelingt Montecristo nach einigen Jahren die Flucht. Er sinnt auf Rache, unterzieht sich mit dem Geld, das er von früher auf der Seite hat, etlichen kosmetischen Operationen. Er kehrt zurück und treibt, als Investor getarnt, seine ehemaligen Partner in den Ruin.
Zu diesem Zeitpunkt ahnt er nicht, dass schon bald ein Vorfall zweieinhalb Monate vorher nicht nur sein Leben verändern, sondern ihn selbst seiner filmischen Hauptfigur so nahe bringen sollte, wie er es nicht für möglich gehalten hätte.
Auf dem Weg nach Basel, wo er für die Zeitschrift „Highlife“ über einen Fundraisingball berichten soll, hält sein Zug auf offener Strecke. Ein Mann ist offenbar aus dem Zug gestürzt und ums Leben gekommen. Jonas Brand hält geistesgegenwärtig die Szene und Gespräche im Speisewagen fest, auch die Frage eines Mannes an einen anderen, ob er Paolo gesehen habe.
Doch schon bald nach seiner Rückkehr nach Zürich vergisst Jonas diesen Vorfall. Das Video allerdings behält er in seiner Wohnung. Erst als nach etwa drei Monaten Jonas der Zufall zwei Hundertfrankenscheine mit identischer Seriennummer in die Hand fallen, und seine Bank ihm die Echtheit beider Scheine bestätigt, taucht der Vorfall im IC nach Basel wieder auf. Zwischen den Scheinen und dem Tod im Zug scheint es Zusammenhänge zu geben. Jonas Brands Wohnung wird durchwühlt und er selbst wird zusammengeschlagen und beraubt.
Da will jemand Spuren beseitigen, Ungereimtheiten aus der Welt schaffen und gleichzeitig die Reputation staatstragender Persönlichkeiten schützen. Paolo, das Unfallopfer im IC, so stellt sich heraus, war ein Banker, der risikoreiche Investments tätigte und sich verzockte.
Jonas Brand gerät immer mehr in einen Strudel von politischen Intrigen und bald ist ihm sein Filmplot näher, als er es für möglich gehalten hätte.
Martin Suter führt auch in seinem neuen Roman die Leser wieder in „high places“, dieses Mal in die Welt der Banker, Börsenhändler, Spekulanten, Journalisten und Politiker. Er entwirft ein abgründiges Szenario, das der Leser aber nach dem, was der Öffentlichkeit während der letzten Jahre der Finanzkrise präsentiert wurde, für absolut realistisch und möglich hält.
Spannender Lesespaß in gewohnter Suter`scher Qualität.
Martin Suter , Montecristo, Diogenes 2015, ISBN 978-3-257-86261-4
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-02-23)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.
-> weitere Bücher von Martin Suter ansehen
-> Möchten Sie eine eigene Rezension
veröffentlichen? [ weitere Rezensionen : Übersicht ]
|
|
Aus unseren
Buchrezensionen
 
Pfister, Marcus: Weisst du, was Glück ist? Zoe und Leo sind zwei kleine Mäuse, die in diesem neuen und schönen Bilderbuch des große Marcus Pfister über das Glück philosophieren. Als die beiden auf einer Weise sitzen und Leo einen Drachen steigen lässt, da fragt Zoe: Weißt du, was Glück ist?“ Und sie fügt für den skeptischen Leo gleich hinzu: „Glück ist das …[...]
-> Rezension lesen
|
| London, Jack: Der Seewolf. Roman „Homo homini lupus“: der Mensch ist des Menschen Wolf, eine alte antike Weisheit könnte grundlegend für die Charakterisierung von Wolf Larsen gewesen sein, der Kapitän der „Ghost“, der einem einmal kennengelernt nicht mehr so leicht aus dem Kopf will. „Sie stehen auf den Beinen Gestorbener“, wirft dieser Humphrey, dem …[...]
-> Rezension lesen
|
Martens, Ina-Maria: Tutto sembrava normale - Eigentlich war alles normal Sieben Erzählungen aus den letzten zwölf Jahren des 20. Jahrhunderts „Oppure è proprio vero che ci sono esseri così, fortunati, sui quali il dolore passa come un´ombra rapida e leggera“ (Oder stimmt es tatsächlich, dass es solche glücklichen Wesen gibt, über die der Schmerz hinwegzieht wie ein schneller, leichter Schatten), schreibt Simona Vinci in ihrer Geschichte „Unterwegs mit den roten …[...]
-> Rezension lesen
|
| Holzapfel, Josef: Die Wien - Vom Kaiserbrünndl bis zur Donau Der „Wienfluss“ oder kürzer einfach „Wien“ genannte Fluss, der mitten durch die Innere Stadt führt und im Donaukanal endet, wurde lange Zeit nur milde belächelt, handelt es sich doch eher um ein Rinnsal, denn um einen wirklichen Fluss. Im Ersten Wiener Gemeindebezirk hat man sich seiner gar gänzlich entledigt, in dem er …[...]
-> Rezension lesen
|
|
|