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Rezensionen


 
Anja Zimmermann - Brust. Geschichte eines politischen Körperteils
Buchinformation

Der Busen als Politikum. Jede bisherige Theorie des Subjekt habe dem Männlichen entsprochen und die hegemoniale Sichtbarkeit des Männlichen habe das Weibliche unsichtbar gemacht. So sei etwa das Korsett nur deswegen erfunden worden, um die Brust oder den Busen so zu pressen, dass er nicht mehr erkennbar wäre. "Des Frauenzimmers bloße Brüste/Ein Zünder böser Lüste", dichtete schon ein Pamphlet aus dem Jahre 1686, das Zimmermann zitiert.

Schlemmern für das Weltklima und die eigene Gesundheit

Von der Venus zum Pin-up und wieder zurück heißt nach der spannende Einleitung das erste Kapitel. Venus, die römische Aphrodite, habe die Welt der antiken Kunst als Anadyomene (Schaumgeborene), als Sandalenlösende oder als Venus Kallipygos (Schönhintrige) betreten. In den 70ern regte sich gegen das weitverbreitete Bild von nackten Frauen (Venussen) ein berechtigter Widerstand: Do Women have to be nakede to gut into the Met?, gipfelte der Protest der Guerilla Girls 1984. 85 Prozent aller Aktbilder des Metropolitan Museums wären Frauen, allerdings nur die wenigsten Bilder von Frauen. Diese Diskrepanz brachte eine berechtigte Frage auf den Punkt: "Der weibliche Körper wird als Angeblickter, oder, genauer, als Anzublickender gezeigt." Von Hollyowoodfilmen bis zurück in die Antike sei dies die Konstante der (männlich dominierten) Kunstwelt. Der Dualismus des Prinzips schrieb starre Gegensatzprinzipien fest, die sich bis heute hielten. Anja Zimmermann stellt folglich auch in Frage, ob etwa weibliche Figurinen des Paläolithikums aus Männerhänden stammen. Vielmehr glaubt sie das Gegenteil. Ein Wechsel im Narrativ sei etwa von Joan Semmel angestrebt worden, die etwa mit "Me Without Mirrors" (1974) die männliche Blicktradition "kritisch reflektiert und subvertiert". Weitere Künstlerinnen wie Annie Sprinkle waren dann noch wesentlich radikaler. Einige der Künstlerinnen werden mit Beispielen ihres Wirkens auch porträtiert.

Schlemmern für das Weltklima und die eigene Gesundheit

Im Kapitel "Busen als Protestform" wird vom Busenattentat auf Theodor W. Adorno ebenso eingegangen wie auf Giotto. Seine Temperantia (Mäßigung) reckt die nackte Brust ihrer Wut dem Betrachter entgegen und das schon 1307. Auch Eugène Delacroix (Die Freiheit auf den Barrikaden) verwendete den nackten Busen ebenso wie in unserem Jahrhundert die Femen-Aktivistinnen. "Je ne vois pas la Femme cachée dans la Foren" brachte es in Margrittes Fotomontage (1929) ebenso auf den Punkt wie zuvor Olympe de Gouges, die am Höhepunkt der Französischen Revolution eine Menschenrechtsdeklaration der Frau und Bürgerin verfasste resp. forderte. Kunstgeschichte wurde jahrhundertelang von Männern geprägt und hat auch unsere Blickrichtung bestimmt. Frauen wurden - mit zumeist fadenscheinigen Begründungen - als Studentinnen an Kunstakademien abgelehnt, und das für Jahrhunderte. Die 1968 geborene habilitierte Kunsthistorikerin Anja Zimmermann hat ein Buch über einen "in der westlichen Kultur hochgradig politisierten Körperteil" verfasst und dieses mit kunstgeschichtlichen Exponaten illustriert. Es sei zwar "keine vollständige oder gar weltumspannende Kulturgeschichte der Brust von der Steinzeit bis zum Cyberspace", aber immerhin ein guter Beitrag zu einer seit langem anstehenden Diskussion: die männliche Kontrolle über den weiblichen Körper. Anja Zimmermann untersucht den vieldeutig-vielseitigen Körperteil "Brust" aus verschiedenen Perspektiven, immer aber auch mit einer politischen Fragestellung. Es geht um Kunst und Pornografie, um Moden und Geschlechternormen, um Mutterideal und Heteronormativität, um Body Positivity und Selbstbestimmung, Sexismus und Protest.

Anja Zimmermann
Brust. Geschichte eines politischen Körperteils
2023, Hardcover, 272 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. Mit vielen Abbildungen.
ISBN 978-3-8031-3732-6
Wagenbach Verlag
28,– €

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2024-01-30)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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