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Rezensionen


 
Jim Zimmermann - TANGO

The Rythm and Movement of Buenos Aires

„Und wie ist dieser Tangotanz, den Du tanzest? Heisst er überhaupt so? Ist es etwas Mexikanisches? Warum gibt es von jenem Tanz kein Bild?“, fragte ein ahnungsloser Franz Kafka seine Geliebte Felice Bauer in einem Brief. In Prag, wo er lebte, war der Tango noch bis 1913 verboten und in Berlin untersagte der Kaiser seinen Soldaten per Dekret das Tanzen dieses die Moral zersetzenden Tanzes. „Aber warum eigentlich?“, mag da jemand fragen. Die Königlich Bayrische Polizeidirektion gab dafür etwa folgende Erklärung: „Diese Tänze verletzen das Sittlichkeitsgefühl, weil die Tänzerin dabei häufig die Beine seitwärts abspreizt, sodaß man die Unterkleider und Strümpfe sieht.“ So prüde ging es Anfang des Jahrhunderts in Europa noch zu, doch der Tango eroberte so oder so bald die ganze Welt, da nützten auch kaiserliche Dekrete oder königliche Verbote nichts.

„Musicas de Noche“ heißt eine der vier diesem „Ohrbuch“ beigelegten CDs und nicht nur sie zeigt die argentinische Hauptstadt im Lichterglanz der Nacht und lässt ihre vielen Stimmen wohlgefällig erklingen. Die Fotografien von Jim Zimmermann, Oriana Elicabe oder Paula Oudamn und Jens Witt zeigen Tangotänzer, die ihre Körper eng aneinander drücken, so als wäre es das letzte Mal, genau so also, wie es ein paar Dekaden früher noch als anstössig galt. In ihren Umarmungen liegt aber nicht die Absicht den anderen zu erdrücken, wie dies in unseren Breitengraden so oft der Fall ist, sondern den anderen zu erheben, zu sich selbst emporzuheben. Es liegt so viel Klasse und Stolz, Respekt und Anmut in diesen auf den Fotos festgehaltenen Bewegungen, dass man auch als bloßer Betrachter über sich hinauswächst. Die Gelegenheit ist günstig: In einem dieser Momente sollte man eine weitere der beigelegten CDs auflegen und seinen Partner zum Tanz auffordern. Die Musik stärkt einem das notwendige Rückgrat ohnehin und auch der Mut wird beflügelt. Es ist unglaublich, wie viel Macht in diesen „Rhythmen der Nacht“ steckt und jeder Laie wird bald verstehen, dass es sich bei Tango nicht einfach nur um eine Art von Musik handelt, sondern um eine ganze Lebensweise und Kultur.

Auch in dieser herausragenden Publikation frönen die Herausgeber demselben bewährten Konzept: die Fotos werden nicht betitelt und stehen ganz alleine für sich. Erst im hinteren Teil des Buches werden unter Miniportraits die Titel und Autorenschaft geklärt. Das ist deswegen so toll, weil die Fotografien dadurch nicht durch den störenden Text verunstaltet werden und so in ihrer ganzen Pracht auf den Betrachter einwirken können. Hier erfahren wir auch wer die Tänzer sind und wo die Aufnahmen gemacht wurden.

Die Musik stammt unter anderem von der Tango-Legende Astor Piazzolla (CD #4) oder Tangata Rea, Javier Gonzalez Trio und Carlos Gari & Quartett. Die Musik ist teilweise live und wurde zum Beispiel in der „Bar Malena“, „Plazoleta Dorrego“ oder „Riachuelo“ aufgenommen, im Winter 1997. Die erste CD von „Vale Tango“ stammt aber aus Bordeaux aus den Jahren 2001/2002, ebenfalls mit freundlicher Genehmigung von Winter & Winter, München. Man muss also gar nicht so weit fahren, um guten Tango zu hören zu kriegen. Die Live-Aufnahmen von Astor Piazzolla, der leider 1992 verstorben ist, stammen aus Rom aus dem Jahre 1972 und man hört neben „Fuego y misterio“ auch „La muerte del Angel“ oder „Tristezza de un doble `A´“.

Man kann vorliegendes Buch als interessante Einführung in das Mysterium Tango verstehen und damit auch schon einmal etwas zu Hause üben, bevor man die lange Reise nach Argentinien dann vielleicht doch noch antritt. Also ran an Ihren Tanzpartner, denn der Begriff „Tango“ stammt nicht von ungefähr vom portugiesischen „tanger“ ab, was so viel heisst wie „berühren“ oder „ein Instrument spielen“. Die Fotografien helfen dabei, die richtigen Posen einzuüben und sich auch mit dem inneren Auge auf die imaginierten noch zu entdeckenden Landschaften einzustellen. Man wird dabei auch des Buenos Aires des Tages ansichtig, manche Ansichten sind auch in S/W und zeigen die Tänzer in Nahaufnahme, andere sind farbig und richten ihren Blick etwa auf das richtige Schuhwerk der Tänzerinnen. Interessant dabei ist, dass tatsächlich alle dieselbe Art von Schuhen tragen, wahrscheinlich weil es sich mit diesem Modell am besten tanzen lässt. Trotz allem ist dieses Buch nichts für Fetischisten, sondern für echte Liebhaber und die es noch werden wollen!

Das Buch kommt im Schutzumschlag daher, auf den bei späteren Publikationen verzichtet wurde, und ist dreisprachig beschriftet, ansonsten aber ohne störenden Text. Einzig die Titel von Fotos und Liedern werden wiedergegeben. Man bekommt einen ästhetischen Genuss erster Klasse geliefert, der fast ganz ohne Worte auskommt. Im vorderen Umschlagkarton findet man vier CDs, die ganz ohne unnötiges Plastikreservoir auskommen. Damit ist auch die ästhetische Gestaltung dieses Buch stilsicher gelungen und ein weiteres Gesamtkunstwerk aus dem Hause Earbook erwartet nur mehr die Aufforderung: TANGO!

Earbooks
www.earbooks.net
ISBN: 978-3-937406152
Ca. 100 Seiten


[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (0000-00-00)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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