Biographien Rezensionen Diskutieren im versalia-Forum Das versalia.de-Rundschreiben abonnieren Service für Netzmeister Lesen im Archiv klassischer Werke Ihre kostenlose Netzbibliothek

 



Save Ukraine!
Save Ukraine!


Love all Animals

 
Hier oben
Autor: manfred gruber · Rubrik:
Kurzgeschichten

Hier oben lässt es sich aushalten. Die Abendsonne wärmt das Gefieder. Der Wind schüttelt den Staub heraus. Unbeobachtet blicken die kleinen Augen durch die Zweige hindurch. Erinnern sich an die vergangenen Balzspiele des Vormittags. Selten verstummt der Lärm der Stadt so wie in diesem Moment. Selbst der Fluss scheint nicht zu fließen. Seine Haut fotografiert die Landschaft. Eine winzige Raupe verschwindet im Schnabel. Sie hatte sich ohne böse Ahnung auf den Weg gemacht. Ein kleiner Rest ihres gelblichen Körpersaftes tropft herunter und hinterlässt einen Fleck auf einem wirklich edlen Stoff.
So ein Mantel verrät die besondere Stellung ihres Trägers. Aus luftiger Höhe kann man das Gesicht des Mannes nicht erkennen. Er und seine Begleiterin geben sich dem Liebesspiel hin. Ihre Münder sind derart ineinander verschlungen, dass kein Geräusch die stoische Ruhe des allmählich dunkler werdenden Abendhimmels stört. Fast hätte sie unser Herr der Lüfte nicht bemerkt. Da hebt die Frauenstimme zu merkwürdigen Lauten an. Einem vorbeigehenden Spaziergänger würden sie ein leichtes Schmunzeln entlocken. So allerdings verursachen sie lediglich ein erregtes Aufflattern des ungebetenen Zeugen oben in den Ästen.
Zwei Bäume weiter erhofft er sich die Fortsetzung seiner genießerischen Träume. Doch die Laute werden immer unerträglicher. Verraten nichts Gutes. Lassen die Federn zu Berge stehen. Rühren den Fluss auf. Kein Foto. Selbst das Nachtleben der Stadt scheint geweckt worden zu sein. Ein schauriges Dröhnen in der Ferne. Welches Licht in dieser Häuserflut gehörte ihr? Die Sekunden ihrer Not hält unser gefiederter Freund nicht länger aus. Die kleinen Pupillen sind zu zwei Monden geweitet. Sein Herz platzt. Er erstarrt. Keine Bewegung. Kein Gefühl. Taumeln. Will nichts mehr hören. Will alles vergessen. Schließt die Augen. Wartet bis zum nächsten Morgen.
Dann weckt ihn der herabfallende Tau. Lieblich zwitschern seine Weggefährten. Voller Mut soll es in den Tag gehen. Doch es geht nicht. Seine Flügel wollen ihn nicht mehr tragen. Seine Augen scheinen fast blind. Eine rote Strähne des Flusses taucht den Morgen in unwirkliche Farben. Hier oben lässt es sich aushalten.



Einstell-Datum: 2004-02-05

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

Bewertung: 333 (1 Stimme)

 

Kommentare


Zu diesem Objekt sind noch keine Kommentare vorhanden.

Um einen Kommentar zu diesem Text schreiben zu können, loggen Sie sich bitte ein!

Noch kein Mitglied bei versalia?



Vorheriger Text zurück zur Artikelübersicht Nächster Text


Lesen Sie andere Texte unserer Autoren:
Zweckgemeinschaft · Weißberg - Novelle · Menschliches Recycling ·

Weitere Texte aus folgenden Kategorien wählen:
Anekdoten · Aphorismen · Erotik · Erzählungen · Experimente · Fabeln · Humor & Satire · Kolumne · Kurzgeschichten · Lyrik · Phantastik · Philosophie · Pressemitteilungen · Reiseberichte · Sonstiges · Übersetzungen ·

Anmelden
Benutzername

Passwort

Eingeloggt bleiben

Neu registrieren?
Passwort vergessen?


Neues aus dem Forum


Gedichte von Georg Trakl

Verweise
> Gedichtband Dunkelstunden
> Neue Gedichte: fahnenrost
> Kunstportal xarto.com
> New Eastern Europe
> Free Tibet
> Naturschutzbund





Das Fliegende Spaghettimonster

Ukraine | Anti-Literatur | Datenschutz | FAQ | Impressum | Rechtliches | Partnerseiten | Seite empfehlen | RSS

Systementwurf und -programmierung von zerovision.de

© 2001-2024 by Arne-Wigand Baganz

v_v3.53 erstellte diese Seite in 0.007897 sek.