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Rezensionen


 
Alberto Guiliani - Malacarne - Leben mit der Mafia

Die Publikationen dieser Reihe des earbook-Verlages sind besonders „edel“, das wissen die Kenner bereits, aber vorliegende Ausgabe hat noch den zusätzlichen Reiz der Überraschung, da es nicht nur zwei CDs mit italienischer (volkstümlicher) Musik zur Mafia beinhaltet, sondern auch – meines Wissens – erstmals die Texte dazu gleich mitliefert. Das ist insofern besonders hervorhebenswert, da die Musik im neapolitanischen Dialekt gesungen wird. Wer also „napule“ lernen möchte, wird sich besonders über die deutsche Übersetzung und „italienische“ Transkription freuen, ein Genuss also nicht nur für die Ohren (earbooks!), sondern auch für die Augen, auch wenn bei manchen mitgelieferten Bildern natürlich lieber nicht hingeschaut wird, das hat das Thema Mafia so an sich. Wie heißt es in „omerta“ (Texte von Siclari): „Ich habe Augen, aber ich sehe nichts, Ich bin taub und sogar stumm, ich kenne die Gesetze Gottes und bleibe stumm“ (Occhiu tengu ma nun viu/Sugnu surdu e puru mutu/Sacciu i reguli di Diu) und dann weiter mit dem ritornello (Refrain) „mentri canta la lupara, na carogna grida e mori“ (Während die Schrotflinte singt, schreit und stirbt der Verräter). ...“Wer aber taub ist, blind ist und schweigt, lebt für hundert Jahre im Frieden.“ ( „Chi è surdu orbu e taci campa pi cent`anni in paci“) ...
Vorliegende Ausgabe von „Malacarne“ (schlechtes Fleisch) liefert aber nicht nur Dinge zum Hören und Sehen, sondern auch zum Lesen, darunter zwei Texte von Roberto Saviano („Gomorrha“) u. a. und Fotos von Alberto Guiliani. Die Texte sind deutsch und italienisch und natürlich auch die Fotos dementsprechend zweisprachig untertitelt. Die Mafia und Ihre Organisationen (die Cosa Nostra, die ’Ndrangheta und die Camorra, Sacra Corona Unita und wohl noch einige mehr) erwirtschaften 9% des italienischen BIPs. Die Einnahmen aus Drogehandel, Prostitution und Glücksspiel/Erpressung belaufen sich jedes Jahr auf 149,70 Millionen Euro, die Ausgaben auf knapp ein Drittel. Gemeinsam haben die Mafiaorganisationen die Ursprünge ihres Reichtums und die Methoden, die ihren Erfolg vor allem der oben angesprochenen „omerta“ verdanken. Das „Gesetz des Schweigens“ sorgt dafür, dass die Organisationen der Mafia nur durch Infiltration aufgebrochen werden können, was die Ermittlungen nicht gerade leichter macht, ist auch die Tatsache, dass es sich um ganze Familien handelt, die niemals mit den Behörden gegen ihre Verwandten zusammen arbeiten würden. „Familie“ ist das Schlüsselwort, das nicht nur das kriminelle Italien zusammenhält, sondern auch das respektable und erst wenn der „Ursprung allen Glücks und Übels“ eine Veränderung erfährt, wird wohl auch der Mafia ein Garaus gemacht werden können. Denn die Loyalität gilt in Italien nicht dem Staat, sondern der Familie und diese entscheidet über das Schicksal des Einzelnen, ob kriminell oder respektabel. In „sposata all mafia“ (verheiratet mit der Mafia) beschreibt Roberto Saviano die Ursprünge der Mafia am Beispiel der `Ndrangheta. „Die Frau existiert nur des Mannes halber“, schreibt er und zeichnet anhand der kalabresischen Frauen nach, wie das System funktioniert.
Frauen dürften sich zum Beispiel nicht schminken, wenn ihr Mann im Gefängnis „brummt“, denn das hieße ja, sie würden es für die anderen tun. „Ihr Aussehen ist Ausdruck seiner Macht.“ Ist sie geschminkt, ist ihr Mann frei und nicht weit, vielleicht irgendwo versteckt. Aber auch die Mafia-Männer unterlägen einem Codex. Sie dürfen seit neuestem nur mehr Ausländerinnen als Nebenfrauen haben, das hätten ihre Ehefrauen durchgesetzt, denn diese seien ohnehin Frauen zweiter Klasse. Die Mafia redet auch beim Geschlechtsleben ihrer Mitglieder mit und schreibe strenge Regeln vor, schreibt Saviano. Drastisch beschreibt Saviano auch die Maßnahmen die gegen jene ergriffen werden, die sich dem Codex widersetzen. Eine Frau eines Mafiosi müsse zum Beispiel sieben volle Jahre in Trauer sein und erst danach dürfe sie wieder einen anderen haben. Wer dies nicht befolge, werde hingerichtet, wie die beiden Liebenden, die in Caserta vom Schiavone-Clan mit Kopfschuss beerdigt wurden. „Wo Unerbittlichkeit Gesetz ist, werden Gefühle und Leidenschaft, die sich an keinerlei Regeln halten, mit dem Tod bezahlt“ beendet Saviano seine Erzählung über die Frauen der Mafia.
Weitere Texte stammen von Rita Borsellino, der EU-Abgeordneten und Schwester des berühmten Anti-Mafia-Richters Paolo Borsellino, oder Andrea Amato, Nicola Gratteri und Francesco La Licata. „Non sugnu delinquenti ne malandrinu/Pircio di mia tenitevi luntanu“, singt in “U lupu d`Asprumunti”/”Die Wölfe vom Aspramonte“ ein verzweifelter Bandit, der nicht nur von den Wölfen in Ruhe gelassen werden möchte. Insgesamt 35 Lieder, darunter auch instrumentals und die bekannten „tarantelle“ des Südens findet man auf den beigefügten CDs dieser ungeschönten aber nichtsdestotrotz wunderschön gemachten Publikation des earbook Verlages aus dem Hause „edel“.

Malacarne - Leben mit der Mafia
156 Seiten,
90 Bilder,
deutsch/italienisch
2 CDs
ISBN-13: 9783940004888
€ 30.00 (D)

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2010-07-05)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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