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Patricia Highsmith - Die zwei Gesichter des Januars
Buchinformation
Highsmith, Patricia - Die zwei Gesichter des Januars bestellen
Highsmith, Patricia:
Die zwei Gesichter des
Januars

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(Bücher frei Haus)

Was Patricia Highsmith für ihr, im Januar auf Kreta und in Athen ablaufendes „Sie können es nicht mehr zusammen, können sich auch nicht trennen“-Drama unter Männern wohl so vorschwebte, ist gut zu erkennen. Eine nie deutlich artikulierte, magnetische Anziehung, letztlich eine homoerotische, die sich nicht bekennen will. Stattdessen ein Kuhhandel der Lügen und des Verbrechens, der fatale Folgen hat. Die Quasi-Verliebten am Ende als Feinde in einem tödlichen Duell. War es nicht ganz ähnlich in „Der talentierte Mr. Ripley“ oder „Ripleys Game“, in „Zwei Fremde im Zug“ oder „Venedig kann sehr kalt sein“?

Doch kniet „Die zwei Gesichter des Januar“ sich so häufig rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, scheint die eine Sorge der Autorin, ihr Gespann wider alle Wahrscheinlichkeit beisammen zu lassen, eben nicht, eine glaubhafte Handlung zu erfinden. Man versteht da schon jenen US-Verlag ganz gut, der die Schriftstellerin zum vierfachen Umschreiben des Buches nötigte, es dann immer noch nicht herausbrachte. Stur wechselte Highsmith, die in der Zwischenzeit zwei andere Bücher produziert hatte, ihren Verleger. Sie ging hinüber nach London. Heinemann ließ sie das Buch ein weiteres Mal entschlacken. Wenn einem heute beim Lesen die Geduld ausgeht, fragt man sich, ob der Diogenes Verlag ehrlich zufrieden sein kann, wenn für die deutschsprachige „Werkausgabe in Einzelbänden“ jetzt die seinerzeit hinausgeworfenen vierzig Seiten wieder mit rein durften. „Die zwei Gesichter des Januars“, man muss es offen ankündigen, ist ein zäher Brocken.

Ganz zufällig übt ein amerikanisches Ehepaar in Athen auf einen jungen, aus den Staaten vergraulten Poeten, Sohn eines Harvard-Professors, eine zweifache Attraktion aus. Sie, die 25-jährige Colette, erscheint ihm wie die Rückkehr seiner allerersten Liebe. Die Sache war entdeckt worden, er wegen sexueller Belästigung einer Minderjährigen ins Erziehungsheim gesteckt worden. Davon leitete sich ein nie korrigiertes Zerwürfnis mit seinem Vater ab, dem Professor also. Tragischerweise ist aber Chester MacFarland, Colettes Ehemann, nicht allein Investmentbetrüger und auf der Flucht vor US-Behörden, sondern er ähnelt ebenfalls jemandem aus Rydal Keeners Vorleben, nämlich diesem gestorbenen Vater, dem Rydal die Versöhnung schuldig geblieben war.

Polizei rückt an, möglicherweise ist der Anlagebetrüger MacFarland in Gefahr. Unbeabsichtigt kommt jetzt ein Mann zu Tode. Aus einer Eingebung heraus hilft Rydal dem Schwindler, den Toten vom Schauplatz verschwinden zu lassen. Dann versorgt er ihn mit falschen Papieren sowie dem Tipp, einstweilen nach Kreta überzusetzen. Ein Grund, dass er das Paar auf dieser Reise begleiten muss, findet sich dann auch noch. Auf Kreta glaubt MacFarland vorschnell, die Flucht diene dem Versuch, ihm seine Frau auszuspannen. Die selbstlose Zuneigung Rydals kommt ihm viel zu unglaubhaft vor. (Ist sie auch, aber wir haben diese zwei fatalen Ähnlichkeiten erzählt bekommen, nicht?) Oder der ärmliche Rydal ist mitgekommen, weil er Geld geschnuppert hat.

MacFarland entscheidet sich dafür, einen zweiten Menschen zu töten, dieses Mal also mit Vorsatz. Das soll Rydal werden, aber in Folge eines Missgeschicks trifft es die arme Colette. Es sind nur die zwei Männer übrig, aneinander gefesselt durch ihr Wissen über die Todesfälle. Jeder spielt mit dem Gedanken, den anderen an die Polizei zu verraten, versucht innerlich, dazu die passende Lügengeschichte zu konstruieren.

So ein Plot klingt nicht reizlos. Erzähltechnisch ist das auch schlau aufgezogen: Von Kapitel zu Kapitel geht die Perspektive, aus der erzählt wird, hin und her zwischen den Männern. In ihrer Gehetztheit und Mordlust gleichen sie sich immer mehr. Doch leider kann Patricia Highsmith sich nicht zu irgendwas durchringen, was die Spannung jetzt mal entladen würde. Sie beginnt sich zu wiederholen; das Buch geht in Zirkelbewegung.

Anfangs war es doch unverzichtbar gewesen, sich aus dem überwachten Athen nach Kreta zu retten, nachdem es diese Leiche im Hotel gegeben hatte. Mit einem Mal muss man von Kreta jetzt wieder schnell nach Athen, weil es auf der Insel die andere Leiche gab. Um sich allen wachsamen Augen zu entziehen, musste man aus dem Hotel in die kalte Nacht raus, Stunden, bis zur Öffnung des ersten Lokals, auf der Bank am Kai sitzen. Auf Kreta checkt man doch wieder ins Hotel, ja, man wechselt diese Unterkünfte mehrmals, die falschen Papiere vorzeigend, obwohl bei der Toten ähnliche Fälschungen zurückgeblieben sind. Man meidet die Stadt, als man hört, dass im Radio von amerikanischen Mördern gesprochen wird. Müsste man zu dieser Jahreszeit als amerikanisches Männerpaar in den Dörfern nicht eher die Nachforschungen auf sich ziehen?

Ständig schleppt MacFarland einen Koffer, Flaschen mit Scotch darin. Er ist stiller Alkoholiker, will uns Highsmith zeigen, auf Kreta gibt’s aber ja nur Ouzo! Dann sind da die paar Tausend, die er noch flüssig hat. Auch Rydal ist mit einem Koffer unterwegs. In ihm steckt sein gesamtes Geld, inklusive der 5000 Dollar, die MacFarland ihm aufgenötigt hatte, weil er verhindern wollte, dass Rydal mit dem Gedanken an Erpressung zu spielen beginnt. Okay also, Winter, beide haben Koffer in der Hand, volle Flaschen im einen. Jetzt haben sie nichts anderes zu tun, als unterwegs, als Zwischenstopp, den Palast von Knossos zu besuchen! Nun ja, sicher, der Autorin sagte die Location für den verunglückten Mord zu. Genau aus diesem Grund beginnt es fürchterlich zu schütten. In so einem Wetter ist kein anderer Tourist in den Ruinen und nicht mal mehr einer am Tor, der sie fliehen sehen und anschließend beschreiben könnte.

Der Bauplan vom Buch sah nun mal vor, dass da zwei Männer sind, die einander unerklärlich anziehen, die ein verbrecherisches Wissen teilen, jeweils der Eine sind, der den Anderen verraten und verkaufen könnte, beide auf einer Reise durch fremde Lande. Es geht ab dieser Stelle noch lange weiter. Zu lange.

Zitat:

„Gute Nacht also“, sagte Rydal und wollte sich abwenden.
Chesters Schlag traf ihn mitten in die Magengrube, ein unglaublich schnell geführter Schlag, der Mantel fing nur wenig von seiner Wucht ab. Chester versetzte ihm noch einen zweiten, genau auf die rechte Hand, mit der sich Rydal jetzt den Magen hielt. Der Schmerz fuhr ihm durch alle Finger. Ein Schwinger gegen den Kieferknochen ließ ihn zu Boden gehen. Rydal lag regungslos in der Rinne unterhalb der Reling, hielt sich den Bauch und rang verzweifelt nach Luft. Dann packte er eines von Chesters Fußgelenken mit beiden Händen und zog daran. Chester trat mit dem anderen Fuß nach ihm und erwischte ihn im Nacken. Der Schmerz ließ Rydal fast das Bewußtsein verlieren. Sein Griff wurde schlaff, und er konnte sich mehrere Sekunden lang überhaupt nicht rühren. Er spürte, wie Chester ihn am Mantelkragen und zwischen den Beinen packte, um ihn hochzuheben. Er hatte ihn schon fast über die Reling gewuchtet, da begann Rydal sich endlich zu wehren, und Chester ließ ihn wieder fallen.


[*] Diese Rezension schrieb: Klaus Mattes (2016-01-08)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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