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Godfrey Reggio - Koyaanisqatsi
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Reggio, Godfrey:
Koyaanisqatsi

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(Bücher frei Haus)

„It`s not that we use technology, we live technology. Technology has become as ubiquitous as the air that we breath. We are no longer conscient of its presence.“ Der in einem religiösen Orden aufgewachsene Regisseur eines der fünf wichtigsten Filme der Gegenwart (laut Filmwissenschaftler James Monaco) erklärt in den Extras auf der DVD das eigentliche Ziel seiner beiden Filme. Die Technik sei derart zu unserer Existenzgrundlage geworden und so selbstverständlich, dass man sie gar nicht mehr wahrnehme, obwohl sie uns doch tagtäglich umgibt und wir inzwischen in völliger Abhängigkeit sind. Das eigentliche „Ereignis“ für ihn sei der Übergang von der natürlichen Umgebung des Menschen zur totalen Unterordnung des Menschen unter die Technik. „Wir verlieren die Kontrolle über die Technik und unser Leben“, so beginnt schon eine Dokumentation vom Institute for Regional Education (I.R.E.) bei dem Reggio schon mit Ron Fricke, Filmemacher und Kameramann, zusammengearbeitet hatte. Im „Essence of Life“ genannten Featurette, das sich unter den Extras der vorliegenden DVD befindet wird aber neben dem Regisseur auch der berühmte Komponist Philip Glass (Golden-Globe®-Preisträger und Regisseur Oscar®-nominierter Filmmusiken, etwa „The Truman Show“ oder „Kundun“) interviewt.

There is space for us in it!
In der Werbung sei es so, meint letzterer, dass zwischen Bild und Musik kein Raum sei und genau darin bestehe auch der Propaganda-Aspekt von Werbung. Philipp Glass findet, dass es in Werbung keinen Raum für den Zuseher gebe und das sei wohl auch der Grund, warum niemand Werbung möge: „There is no space for us in it!“ Die Transaktion zwischen Musik und Bild finde in der Zeit statt, in der der Zuhörerden Raum zwischen Musik und Bild durchquert. Das sei das eigentliche Geheimnis, aber mehr würde er natürlich auch nicht verraten, denn er arbeite ja hart dafür und werde wohl kaum in einem Interview seine „Technik“ preisgeben, wie er selbstironisch anmerkt. „Musik hat die Macht uns zu zeigen was wir sehen“, so Glass. „Der Zuseher wird deswegen in den Film involviert“, meint Reggio, da er bei Koyaanisqatsi selbst entscheiden könne, welche Bedeutung er den einzelnen Teilen gäbe, sei es Musik oder Bild oder plot. Es gebe zwischen“ viewer“ und Musik/Bild eine „trialectiv relation“, Koyaanisqatsi würde direkt auf den solar plexus abzielen, das Bauchgefühl.

Den Hintergrund in den Vordergrund rücken
„Er war so diszipliniert, dass er zur Inspiration wurde. Er war die perfekte Person“, so Godfrey Reggio, der auch nicht mit Lob an Ron Fricke oder seinen anderen Mitarbeitern im angesprochenen Interview spart. Als andere Vorbilder nennt Reggio aber Louis Bunuel und in der Tat merkt man das den frühen Produktionen von I.R.E. noch mehr an, als Koyaanisqatsi. Revolutionär war das Konzept des Filmes aber ohnehin, denn es war wohl der erste Film seit der Stummfilmära, der ohne Worte auskam. Ein Film ohne Worte. Reggio erklärt, was er eigentlich bezweckte, was sein Konzept war. Der Vordergrund wurde einfach negiert. Den Hintergrund machte er zum Vordergrund, es sollte keinen Plot geben, sondern das, was normal im Hintergrund war, rückte er nach vorne und so wurde es zum „Ereignis“. Reggio machte etwa aus dem Verkehr das Ereignis, indem er ihn um das 200-fache beschleunigte und aus Autos dadurch Lichtsäulen wurden. Oder er vergleicht die Organisation von Städten mit einem Computerchip.

Leben in Aufruhr
„Wir wollten erst keinen Titel. Warum einen Titel benutzen für etwas, das unbeschreiblich, ja sogar unbennenbar war?“, so Godfrey Reggio. Die Sprache beschreibe nicht mehr die Welt in der wir lebten. Also wollte er ein Wort, das kein „kulturelles Gepäck“ mit sich brachte. Die Sprache der Hopi sei mächtiger, stärker im Beschreiben der Welt in der wir leben. „Qatsi“ bedeute „leben“ oder auch „way of life“, Weg des Lebens. „Koyaanis“ aber bedeute „ver-rückt, aus dem Gleichgewicht, Unruhe, Zerfall, dis-integration, etwas das nach Veränderung verlangt“, mit einem besseren Wort auch: Krise, Leben in Aufruhr? Was der Film eigentlich zeige? „The beauty of the beast“, meint Reggio, der sich dagegen wehrt, dass ihm Technikgläubigkeit vorgeworfen werde. Sein Film sei keine Hommage an die Technik. „To find inspiration in another person`s view“, ist einer dieser wunderbaren Sätze, die unter vielen anderen in diesem Interview fallen. Man solle eben versuchen mit der eigenen Schöpfung in Verbindung zu bleiben, meint Reggio an einer anderen Stelle vieldeutig.

Parasiten und Hoffnungsträger
„Powaqqatsi“ ist der zweite Teil der „Qatsi“-Trilogie und beginnt mit einer unglaublichen Einstellung, die Minenarbeit zeig, wie sie Säcke voller Erde einen Berg hinauftragen, dazu Musik, die viel zu fröhlich wirkt, denn die Vorstellung unter welchen harten Arbeitsbedingungen diese Menschen leben, lässt einen vom Zuschauen schon einknicken. Auch dieses „Ereignis“, „Powaqqatsi“ („eine Lebensart, die die Lebenskräfte anderer Wesen aufbraucht, um sein eigenes Leben zu fördern und zu unterstützen“, also: ein Parasit!). , zielt auf eine emotionale, spirituelle, intellektuelle und ästhetische Änderung der Perspektiven ab indem es den Zusammenhang zwischen unserem Wohlstand und Technologie mit dem Leben der ArbeiterInnen in der Dritten Welt herstellt. Anders als in Koyaanisqatsi liegt in Powaqqatsi der Schwerpunkt der Bildaufnahmen aber auf den Menschen und weniger auf dem Planeten und seinen Strukturen. Die Industrialisierung, die für die Völker Asiens, Lateinamerikas und Afrikas wahrscheinlich noch viel schlimmere Folgen hatte und hat, die heute noch gar nicht absehbar sind, rückt so in den Vordergrund des zweiten Filmes von Godfrey Reggio. Es gibt übrigens auch schon einen dritten Teil gibt. Godfrey Reggio drehte 2002 Naqoyqatsi. Eine Trilogie, die die Gedanken in eine andere Richtung linkt.

KOYAANISQATSI (USA 1982)
POWAQQATSI (USA 1988)
DVD Blu-ray bei Koch Entertainment
Regisseur: Godfrey Reggio
Musik: Philip Glass

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2012-01-21)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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