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Archiv klassischer Werke


 
An Deutschland
Ferdinand Freiligrath
Nun grüß' dich Gott, du wunde,
Du bleiche Siegerin!
Ich tret' in ernster Stunde,
Du Herrliche, vor dich hin.
Wohl seh' ich freudig glänzen
Das Schwert in deiner Hand;
Wohl gehst du einher in Kränzen, -
Doch schwarz ist dein Gewand.

Und zorn'ge Tränen springen
Durch deine Wimpern heiß;
Obsiegtest du im Ringen, -
Doch teuer war der Preis.
Umsonst mit eisernen Tritten
Für den frech bedrohten Herd
Bist du westwärts nicht geschritten,
Hast ein Reich du nicht zerstört.

Vieltausend Männer und Knaben,
Vieltausend, Schar bei Schar,
Begraben, begraben, begraben
An Mosel, Maas und Saar!
O, der Witwen und der Waisen,
O, der armen Eltern nun!
Und immer noch darf das Eisen,
Das blutige, nicht ruhn.

Noch muß es leuchten und klingen
Durch Feindesland weithin;
Muß noch zum Frieden zwingen
Die trotzige Nachbarin:
Zum Frieden, dem echten, rechten,
Dem dauernden fortan,
Daß die Welt nach allem Fechten
Aufatmen endlich kann.

Daß aufs Geklirr der Waffen
Ein langer goldner Tag
Für der Freiheit fröhliches Schaffen
Den Völkern glänzen mag;
Daß, thronend in aller Mitte,
Du walten magst in Ruh
Des Rechts, des Lichts, der Sitte,
Freieiniges Deutschland du!

Gescheh' es bald, du Hohe!
Heut hältst du noch Gericht;
Heut rötet noch die Lohe
Des Krieges dein Gesicht;
Heut noch um Babels Zinnen
Rüstest du kalt das Erz, -
Kalt außen, doch tief innen
Den heil'gen großen Schmerz.

Den Schmerz um deine Kinder,
Die gefordert schon der Sieg;
Den Schmerz um sie nicht minder,
Die dich zwingen noch zum Krieg;
Den Schmerz um jede Wunde,
Die du schlägst auf deiner Bahn, -
Deutschland, und in der Stunde
Tret' ich an dich heran!

Du trägst, du wägst in Händen
Eine Welt und ihr Geschick -
Was kann ich dir sagen und spenden
In solchem Augenblick?
Ich kann am Weg nur stehen,
Von Glück, von Stolz durchbebt,
Daß dieses Weltsturms Wehen
Auch ich, auch ich erlebt!

Und des zum armen Zeichen,
Empor zu deinem Flug
Laß diese Blätter mich reichen, -
Meines Lebens Liederbuch!
Manch rund, manch rauhgestammelt,
Manch still, manch wild Gedicht:
Längst lag's für dich gesammelt, -
Da ist's! Verschmäh' es nicht!

Mit sechzehn Jahren begann ich,
Mit sechzig sing' ich heut:
O, lange träumt' ich und sann ich, -
Doch deucht mich kurz die Zeit!
Rasch ist verrauscht mein Leben,
Rasch fällt des Alters Schnee, -
O, könnt' ich dir Beßres geben,
Nun fast am Ziel ich steh'!

Wie arm scheint, wie geringe,
Wie wenig deiner wert,
Was zagend ich dir bringe,
Zu schmücken deinen Herd!
Die alten "Liederkerzen",
Wie eigen heut ihr Strahl!
Wie fremd greift an die Herzen
Manch Lied von dazumal!

Du aber hast in allen
Die Liebe zu dir erkannt:
Drum haben sie dir gefallen,
Drum gabst du mir treu die Hand!
Drum hab' ich seit frühen Jahren,
Als Jüngling und als Mann,
Auch Liebe von dir erfahren, -
Mehr, als ich danken kann!

So laß dir denn angehören
Dies Werk, - es ist für dich!
Nimm's an im Jahr der Ehren,
Im Jahre Siebenzig!
Rasch nun, - fliegt aus, ihr Blätter!
Schon tönt heran im West
Trompeten- und Horngeschmetter!
Fliegt aus, - zum Friedensfest!
                           Oktober 1870.



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