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Literaturforum: Soldatenliebe


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Forum > Prosa > Soldatenliebe
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 Thema: Soldatenliebe
ArnoAbendschoen
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 21.07.2014 um 18:32 Uhr

(Vorbemerkung für mitlesende Schlapphüte: Das Folgende hat sich vor mehr als fünfunddreißig Jahren zugetragen. Die Namen der Soldaten wurden verändert.)

Als es den Kalten Krieg noch gab, waren Hunderttausende amerikanischer Soldaten in der alten BRD stationiert. Wie die Natur so spielt, befanden sich stets auch Tausende von Homosexuellen unter ihnen. Diese waren unerwünscht. Man suchte sie herauszufiltern und aus der Truppe zu entfernen. Für das Ausspionieren war der eigene militärische Geheimdienst zuständig.

In Frankfurt verkehrten diese schwulen GIs sehr zahlreich in verschiedenen Bars im Stadtzentrum. Ich erinnere mich an eine nahe der Konstablerwache, in der sie zeitweise beinahe die Hälfte des Publikums ausmachten. Die Atmosphäre war locker und verriet nichts von Existenzängsten. Deutsche und amerikanische Gäste lachten, redeten und tranken miteinander.

Larry war einer der ersten Amerikaner, die ich in Berlin näher kennenlernte. Er war neunzehn, neu bei der Army und neu in Berlin. Er kam aus einem kleinen Nest in Ohio, wirkte gutartig und noch etwas kindlich. Er hasste alle großen Städte, ihren Schmutz, die Verwahrlosung, das Verbrechen. Er war nur einmal bei mir, dann redete ich ab und zu mit ihm, wenn wir uns zufällig trafen.

Um diese Zeit nahm die Zahl der GIs in meinem Stammlokal stark zu. Die meisten von ihnen haben keine Spuren in meinem Gedächtnis hinterlassen. Ich erinnere mich an einen kleinen Texaner. Er sah putzig aus, ungefähr so wie die gemalten Knaben auf der Titelseite der Hörzu früher. Ganze Nächte verbrachte er in der Bar, friedlich in einer Ecke sitzend, schauend, dösend. Manchmal schlief er gegen Morgen ein, wie auf einem Schulausflug, der zu lange dauert.

Roy gehörte nicht zu dieser Gruppe, er war auch bedeutend älter. Er bewegte sich privat fast nur unter Deutschen, sprach perfekt Deutsch, wenn auch mit leichtem Akzent, und ließ sich sogar mit einem deutschen Vornamen anreden. Bei einem seiner seltenen Barbesuche hatte ich ihn kennengelernt. Eine mehrmonatige Beziehung schloss sich an. Roy sagte: "Larry und die anderen, die sind sehr unvorsichtig. Der Dienst beobachtet sie, und wenn er genug auf der Liste hat, werden sie zurückgeschickt."

War Roy Soldat? Er trug nie Uniform, doch benutzte er den amerikanischen Militärsonderzug, wenn er von Berlin nach Frankfurt fuhr. Dort war er seit langem zu Hause und erst neuerdings beruflich meistens in Berlin. Hier war er bei einem Freund untergekommen. Ich fragte nie, was er genau mache. Vielleicht war es ein dem Militär zugeordneter Dienst.

Roy übernachtete ab und zu bei mir. Er benutzte einmal morgens meinen Nassrasierer und brachte sich, darin ungeübt, üble Schnittwunden bei. Er fluchte: "Im Büro denken sie natürlich, ich wär in eine Schlägerei geraten. Die halten mich da für ziemlich rough." Und er konnte doch so zartfühlend sein ... Wir sprachen auch über Musik. Im Gegensatz zu mir liebte er Verdi und Puccini. Diese Musik habe ihm früher über schwere Enttäuschungen hinweggeholfen.

Bald darauf wurden auf einen Schlag etwa zwanzig Berliner GIs wegen Homosexualität aus der Army ausgestoßen. Einigen ersparte man die unehrenhafte Entlassung, sie durften selbst um ihr Ausscheiden bitten. Unter diesen war Larry.

An einem Samstagmorgen verließen wir meine Wohnung in der Keithstraße. Roy wollte uns am Wedding eines seiner deftigen mittelwestlichen Frühstücke zubereiten. Bei Fontane wohnt Effi Briest in der Keithstraße, von den alten Häusern haben nur wenige den letzten Krieg überstanden. Ich lebte in einem der nicht allzu bemerkenswerten neuen Appartementhäuser. Wir traten vor die Haustür. In diesem Augenblick wurden wir samt Hausfassade fotografiert. Der gut gekleidete Mann mittleren Alters auf der anderen Straßenseite stieg unmittelbar danach in seinen Wagen und fuhr weg.

Am Vorabend war Roy auf einer Party in der amerikanischen Kolonie gewesen. Als wir jetzt die Siegessäule in seinem Wagen umrundeten, sagte er: "Sie können es gar nicht herausgefunden haben ... Ich bin von der Party so verschlungene Wege zu dir gefahren. Eigentlich unmöglich."

Dann musste er einige Wochen in einem militärischen Trainingslager verbringen. Ich hörte lange nichts von ihm, sehr lange nicht. Er rief einmal aus Frankfurt an und schlug kein Treffen vor. Ich bemühte mich, ihn zu vergessen.

Jahre später sollte ich ihn noch einmal sehen, in einer großen Disco. Das damalige Discofieber ließ mich kalt, ich beobachtete vom Rand der Tanzfläche aus die Derwische. Manche von ihnen schnupften Drogen oder warfen sich Pillen ein, während sie sich verbogen. Auf einmal war einer von diesen neben mir, küsste mich und entfernte sich, schon wieder tanzend, rasch von mir. Es war Roy, er lachte mir nun von weitem zu. Er schien etwas ausdrücken zu wollen - nur was? Dann hörte er auf zu tanzen und ging mit anderen fort. Als sie an mir vorbeikamen, sah er noch einmal herüber und lächelte jetzt verlegen. Er sah aus, als wolle er mir sagen: Was willst du machen, das Leben ist ein Spiel. - Ja, Roy, nur kein sehr amüsantes.

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JH
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1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 31.07.2014 um 12:00 Uhr

Aber natürlich hat sich das genau so zugetragen. Haben sie danach noch ihren Grossvater, den Weihnachtsmann, am Nordpol besucht?
PS: Miese Schreibe.


MASSONI
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ArnoAbendschoen
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2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 31.07.2014 um 13:51 Uhr

Doch, JH, es ist autobiographisch, nur die Namen sind verändert. Alle wesentlichen Details sind unmittelbar nach dem Geschehen im damaligen Tagebuch festgehalten worden. Bei der Abfassung des Textes "Soldatenliebe" vor einigen Jahren habe ich mich auf sie gestützt. Ich hoffe, dass ich vor meinem Tod noch ein Archiv für diese Dokumente finde.

Mag ja sein, dass Sie mich unglaubwürdig finden, aber dann recherchieren Sie doch mal allgemein zum Thema Umgang der US-Army mit Homosexuellen. Vgl. Wikipedia "Don´t ask, don´t tell", hier besonders den Abschnitt zur Geschichte. So waren die Zeiten bis in die jüngere Vergangenheit - und warum soll es dann mir als jungem Mann in West-Berlin nicht so wie beschrieben passiert sein?

Arno Abendschön

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Kenon
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3. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 31.07.2014 um 20:24 Uhr

Und jetzt stell Dir mal Deine Romanze in Russland vor:

Zitat:

In Russland sind im vergangenen Jahr 471 Armeeangehörige ums Leben gekommen, mehr als die Hälfte davon durch einen Suizid.

Quelle: http://de.ria.ru/security_and_military/20090118/119676421.html

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ArnoAbendschoen
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4. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 31.07.2014 um 22:00 Uhr

Kenon, soll ich nun zu den Folgen christlich-fundamentalistischer Umerziehungsversuche an Schwulen in den USA recherchieren? Es ist ein Leichtes, sich gegenseitig Opferzahlen vorzurechnen und sie zu instrumentalisieren.

In großen Teilen der Welt ist die Situation der Schwulen nach wie vor beschissen, insbesondere auch in fast ganz Osteuropa. Russland aus diesem Kontext herauszulösen und isoliert an den Pranger zu stellen, das ist hier neulich versucht worden - und mein Beitrag war die Antwort darauf.

Arno Abendschön

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JH
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5. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 02.08.2014 um 18:01 Uhr

Ich hätte diesen Hr. "Abenschön" schön längst raus gekickt. Ohne schönen Abend natürlich. Wär fast wie in Russland,


MASSONI
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Kenon
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6. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 11.08.2014 um 09:49 Uhr

Zitat:

Kenon, soll ich nun zu den Folgen christlich-fundamentalistischer Umerziehungsversuche an Schwulen in den USA recherchieren? Es ist ein Leichtes, sich gegenseitig Opferzahlen vorzurechnen und sie zu instrumentalisieren.

Wie wäre es denn mit einem Vergleich zum Status der Homoehe in den USA und Russland? Das würde mir als erstes genügen.

Dass es überall Fanatiker gibt, weiss ich, dafür bist Du ja in diesem Forum mit der beste Beweis.

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ArnoAbendschoen
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7. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 21.08.2014 um 10:45 Uhr

Antwort auf Kenons Kommentar vom 11.8.:

1. Die rechtliche Situation von Homosexuellen sagt nur bedingt etwas aus über deren reale Lebenssituation in unterschiedlichen Staaten. So war die Gesetzeslage in der DDR zeitweise liberaler als in der BRD, dennoch gab es eine klare Wanderungsbewegung der Betroffenen Richtung Westen. Gegenbeispiel: Roland Schernikau, auch so ein Dichter mit getrübtem Blick für die Realität.

2. Homophobie in Russland wie in den USA weist z. T. gemeinsame Ursachen auf: christlicher Fundamentalismus und rigide Rechristianisierung, verquickt mit Machtinteressen.

3. Die Homoehe muss man nicht unkritisch als Zeichen einer progressiven Entwicklung ansehen. Vor Jahrzehnten galt es als revolutionär, die Abschaffung der Ehe überhaupt zu fordern. Die heute populäre Anpassung schwuler Rechts- und Lebensverhältnisse an ein traditionelles heterosexuelles Rechtsinstitut kann man auch als maskierte Unterwerfung unten einen neokonservativen Zeitgeist betrachten.

Arno Abendschön

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Gast33
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8. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 18.11.2016 um 10:26 Uhr

Diese Nachricht wurde von Netzmeister um 00:16:46 am 19.11.2016 editiert

BEITRAG VON DER REDAKTION ENTFERNT

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ArnoAbendschoen
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9. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 18.11.2016 um 10:55 Uhr

Max, hier scheinst du völlig unbeleckt von jeder Sachkenntnis. Umfassend kann und will ich bei dieser Differenz an Wissen nichts im Einzelnen aufgreifen - mit einer Ausnahme: Informiere dich doch mal darüber, wie Homosexuelle sich "vermehren". Keineswegs durch Propaganda, vielmehr werden sie in jeder Gesellschaft und zu jeder Zeit rein biologisch reproduziert und, soweit ersichtlich, auch im stets annähernd gleichen Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. (Die Biologie hat z.B. herausgefunden, dass die Wahrscheinlichkeit der Geburt eines männlichen homosexuellen Kindes mit der Zahl der Schwangerschaften kontinuierlich steigt, die eine Frau austrägt, bezogen auf männliche Embryonen.) Die Debatte kann sich also nur darauf beziehen, wie Politik und Gesellschaft rational - und d.h. zweckmäßig und ethisch vertretbar - mit diesem biologischem Faktum umgehen. Dein Ansatz von "Denkart" und "Garaus" ist schon naturwissenschaftlich unhaltbar.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön

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