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Literaturforum: Der Journalist als Politiker: Maximilian Harden


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Forum > Literaturgeschichte & -theorie > Der Journalist als Politiker: Maximilian Harden
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 Thema: Der Journalist als Politiker: Maximilian Harden
ArnoAbendschoen
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 21.05.2017 um 12:18 Uhr

Maximilian Harden war einer der großen deutschen Publizisten um 1900, gewissermaßen ein Josef Augstein seiner Zeit oder fast ein deutscher Zola, allerdings mit wesentlich anderen Mitteln und Zielen. Er hat durch gezielte Indiskretion den größten Sittenskandal des Kaiserreichs öffentlich gemacht, ja, mehr als das: Er hat diesen Skandal erst kreiert, um damit Politik zu machen – und hat damit wahrscheinlich in den Ablauf der Weltgeschichte eingegriffen.

Geboren 1861 in Berlin als Sohn eines jüdischen Seidenhändlers, wurde Harden zunächst Schauspieler, dann Journalist und verschaffte sich mit Talent, Fleiß und Engagement bald einen Ruf. Seit 1892 gab er seine eigene Wochenzeitung heraus: "Die Zukunft". Politisch stand er Bismarck und dessen Kreis nahe, verfolgte den Kurs des jungen Kaisers überaus kritisch. Wilhelm II. war in seiner frühen und mittleren Periode noch nicht durchgehend der Eisenfresser und Säbelrassler, als den man ihn sich heute zumeist vorstellt. Er stand lange unter dem Einfluss des Liebenberger Kreises, dessen Haupt Philipp Fürst von Eulenburg war. Eulenburg, von preußischem Uradel, musisch veranlagt, war Offizier gewesen, wurde dann Diplomat, war englandfreundlich und Gegner jeder imperialistischen Politik.

Um den Kaiser anzugreifen, musste Harden dessen Umgebung neutralisieren. Zuerst geriet ihm Kuno Graf von Moltke ins Visier. Harden nahm Kontakt zur geschiedenen Frau des Grafen auf und bekam, neben der Kenntnis weiterer intimer Details, einen sehr persönlichen Brief Eulenburgs an Moltke in die Hände. Damit soll er ab 1902 Eulenburg erpresst und ihn zur Aufgabe des Botschafterpostens in Wien gezwungen haben.

In der 1. Marokkokrise (1906) erschien der Kaiser als Bremser, wollte keinen Krieg mit Frankreich riskieren. Eulenburg war an den Verhandlungen zur Beilegung des Konflikts beteiligt. In der Folge veröffentlichte Harden Artikel gegen die Politik des Kaisers und gab verklausulierte Hinweise auf dessen Umgebung. Man verstand: Der Kaiser war dem Einfluss verweichlichter Homoerotiker erlegen – statt die Interessen des Reiches kraftvoll zu vertreten. Schließlich bezichtigte Harden sowohl Moltke als auch Eulenburg offen damals strafbarer homosexueller Handlungen.

Die Folge war ein sich über Jahre erstreckender Wust von Zivil- und Strafprozessen sowie Militärgerichtsverfahren. Eine Vielzahl von Personen trat auf, als Kläger und Beklagte, Angeklagte, Zeugen, Gutachter. Selbst der damalige Reichskanzler von Bülow prozessierte. Magnus Hirschfeld spielte als Sachverständiger eine wenig glückliche Rolle. Moltke setzte sich gegenüber Harden letztlich durch. Und Eulenburg? Er ließ sich als Angeklagter ärztlich Prozessunfähigkeit bescheinigen, das Verfahren blieb bis zu seinem Tod (1921) in der Schwebe.

Wilhelm II. brach mit dem gesamten Liebenberger Kreis. (Mit Eulenburg war er seit zwanzig Jahren eng befreundet gewesen.) Er öffnete sich neuen Ratgebern und änderte zunehmend seine Politik. Sie wurde nun eindeutig imperialistisch. Die 2. Marokkokrise (1911) löste beinahe schon den 1. Weltkrieg aus. Als er endlich da war, konnte sich Harden fast am Ziel seiner groß- und alldeutschen Wünsche sehen. Er forderte in den ersten Kriegsjahren äußerste Anstrengungen. So befürwortete er warm den uneingeschränkten U-Boot-Einsatz, vor dem Deutschland lange zurückschreckte: „Das U-Boot ist so gutes Kriegsgerät als irgendeins.“

Gegen Ende des Krieges gingen Harden die Augen auf. Er wandelte sich zum Anhänger eines Verständigungsfriedens, nahm nach dem Krieg sogar sozialistische Positionen ein, propagierte die europäische Einigung. Seine bisherigen Leser dankten es ihm nicht, die Auflage seiner Zeitschrift ging stark zurück. 1922 versuchten gedungene Rechtsextreme ihn in Berlin zu töten. Er überlebte und erlebte einen beschämenden Prozess voller Nachsicht für die Mordbuben. Harden stellte "Die Zukunft" ein und siedelte in die Schweiz über. Dort ist er 1927 gestorben.

Die Harden-Eulenburg-Affäre losgetreten zu haben, bezeichnete er am Ende seines Lebens als seinen größten politischen Fehler überhaupt.

Maximilian Harden – ein heller Kopf und eine trübe Gestalt. Er ist der Prototyp des Journalisten, der mit allen Mitteln Politik macht.

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