Tom de Toys, 19.5.2004, Antiprosaische Slamparodie
[Uraufführung 21.5. beim 1.Travolta-Slam, Wiener-/ Ecke Lausitzer Str.]
LiTERaTUR iST TOTaL iNTiM
(NEUKÖLLN HaT MEHR STiL aLS KÖLN)
ich habe heut morgen einen test gemacht. dachte mir: warum nicht mal in der jogginghose zum bäcker gehn? dazu die pantoffeln, ohne socken, und die haare schnell zum unordentlichen zopf gemacht. außerdem ungewaschen, unter dem alten pullover das verschwitzte nachthemd. den muffigen geschmack im mund nur mit kaffee überlagert. den schlaf noch in den verquollenen augen und mir den weg bahnen zwischen der hundescheiße mit absolut lässig klimperndem schlüsselbund. und gleich vorne schon um die ecke biegen, wo mir die ersten strahlen unseres kosmischen kraftwerkes entgegen springen - es ist halb sieben, ich betrete die sonnenallee. aaah! ich bin geblendet. meine augen tränen. ich schwanke und halte mich an der laterne fest. der letzte traum versinkt endgültig im nicht mehr abrufbaren gedächnis. mein bezirk heißt: NEUKÖLLN. und ich liebe ihn sooo seeehr! denn nur hier kann man als dichter ungestört dichten, hier ist die literatur noch total intim! wenn ich morgens früh durch den wecker meiner freundin wach werde und nach einem koffeinschock auf dem klo sitze, kann es passieren, daß trotz gestank, hektik und schlaftrunkenheit plötzlich der entscheidende kick für ein liebesgedicht aus dem hintersten hirnwinkel kommt, und dann hängt man eben ne weile auf der toilette fest - ich meine: da hat man wenigstens seine ruhe, und alle gedanken, gefühle, erlebnisse und ereignisse der letzten wochen können jetzt wunderbar ungestört auf den punkt gebracht werden. das ist doch wie beim meditieren! du sitzt einfach da (und drückst und drückst) und ganz nebenbei schreibst du fein säuberlich buchstabe für buchstabe auf... was ja nicht heißt, daß man gleich "hohe literatur" fabriziert, aber immerhin hält man sich dadurch zumindest ein bißchen geistig fit. mit so schwierigen lyrischen zeilen, die fast schon ins mystische gehn, wie zum beispiel: OH DU / MEIN GELIEBTER SCHMETTERLING / BIST DOCH FÜR MICH / DAS SCHÖNSTE DING
"ich. bin. ein. genie!"
und danach mache ich diesen test mit der jogginghose. und beweise mir wiedermal, in was für einem vorzüglichen stadtteil ich wohne, denn hier in NEUKÖLLN kann man noch rumlaufen, wie man will. hier rechnet sowieso keiner damit, ein genie auf der straße zu treffen! während ich ÜBERALL nach iiiiiirgendwas aussehen muß, im Prenzlauer Berg nach neuer Mitte, in Friedrichshain nach alter Mitte, in Kreuzberg nach 80er-jahre-retro, Charlottenburg... kapier ich nicht ganz, Zehlendorf... steht nicht zur debatte - ach ja, Wedding: da zieht man sich auch an, wie man will (außer samstags in der disco). na gut, jedenfalls standen heut morgen am stehtisch beim bäcker drei kerle, die ganz offensichtlich zum arbeitenden volk gehören. die tranken ihren kaffee wichtig wichtig, als ob sie mit einem fuß schon auf ihrer tollen baustelle stünden. so pseudo-ex-Potsdamer-Platz möchtegern-Lehrter-Stadtbahnhof-in-Hauptbahnhof-umwandler. und die, ausgerechnet die, mit ihren zeitlosen latzhosen und seitenscheiteln, die machten sich nun über mich lustig, weil ich (zugegebenermaßen) völlig bescheuert aussah, so ganz incognito, ohne schwarzen szenelook. eben als superdichter superprivat getarnt. ich bin mir ziiiiiiemlich sicher, daß die nicht aus meinem bezirk waren, so wie die mich anglotzten. und daß die mich dazu inspirierten, diesen ganzen quatsch sogar aufzuschreiben, konnten sie in dem moment wohl auch kaum ahnen.
[Uraufführung 21.5. beim 1.Travolta-Slam, Wiener-/ Ecke Lausitzer Str.]
LiTERaTUR iST TOTaL iNTiM
(NEUKÖLLN HaT MEHR STiL aLS KÖLN)
ich habe heut morgen einen test gemacht. dachte mir: warum nicht mal in der jogginghose zum bäcker gehn? dazu die pantoffeln, ohne socken, und die haare schnell zum unordentlichen zopf gemacht. außerdem ungewaschen, unter dem alten pullover das verschwitzte nachthemd. den muffigen geschmack im mund nur mit kaffee überlagert. den schlaf noch in den verquollenen augen und mir den weg bahnen zwischen der hundescheiße mit absolut lässig klimperndem schlüsselbund. und gleich vorne schon um die ecke biegen, wo mir die ersten strahlen unseres kosmischen kraftwerkes entgegen springen - es ist halb sieben, ich betrete die sonnenallee. aaah! ich bin geblendet. meine augen tränen. ich schwanke und halte mich an der laterne fest. der letzte traum versinkt endgültig im nicht mehr abrufbaren gedächnis. mein bezirk heißt: NEUKÖLLN. und ich liebe ihn sooo seeehr! denn nur hier kann man als dichter ungestört dichten, hier ist die literatur noch total intim! wenn ich morgens früh durch den wecker meiner freundin wach werde und nach einem koffeinschock auf dem klo sitze, kann es passieren, daß trotz gestank, hektik und schlaftrunkenheit plötzlich der entscheidende kick für ein liebesgedicht aus dem hintersten hirnwinkel kommt, und dann hängt man eben ne weile auf der toilette fest - ich meine: da hat man wenigstens seine ruhe, und alle gedanken, gefühle, erlebnisse und ereignisse der letzten wochen können jetzt wunderbar ungestört auf den punkt gebracht werden. das ist doch wie beim meditieren! du sitzt einfach da (und drückst und drückst) und ganz nebenbei schreibst du fein säuberlich buchstabe für buchstabe auf... was ja nicht heißt, daß man gleich "hohe literatur" fabriziert, aber immerhin hält man sich dadurch zumindest ein bißchen geistig fit. mit so schwierigen lyrischen zeilen, die fast schon ins mystische gehn, wie zum beispiel: OH DU / MEIN GELIEBTER SCHMETTERLING / BIST DOCH FÜR MICH / DAS SCHÖNSTE DING
und danach mache ich diesen test mit der jogginghose. und beweise mir wiedermal, in was für einem vorzüglichen stadtteil ich wohne, denn hier in NEUKÖLLN kann man noch rumlaufen, wie man will. hier rechnet sowieso keiner damit, ein genie auf der straße zu treffen! während ich ÜBERALL nach iiiiiirgendwas aussehen muß, im Prenzlauer Berg nach neuer Mitte, in Friedrichshain nach alter Mitte, in Kreuzberg nach 80er-jahre-retro, Charlottenburg... kapier ich nicht ganz, Zehlendorf... steht nicht zur debatte - ach ja, Wedding: da zieht man sich auch an, wie man will (außer samstags in der disco). na gut, jedenfalls standen heut morgen am stehtisch beim bäcker drei kerle, die ganz offensichtlich zum arbeitenden volk gehören. die tranken ihren kaffee wichtig wichtig, als ob sie mit einem fuß schon auf ihrer tollen baustelle stünden. so pseudo-ex-Potsdamer-Platz möchtegern-Lehrter-Stadtbahnhof-in-Hauptbahnhof-umwandler. und die, ausgerechnet die, mit ihren zeitlosen latzhosen und seitenscheiteln, die machten sich nun über mich lustig, weil ich (zugegebenermaßen) völlig bescheuert aussah, so ganz incognito, ohne schwarzen szenelook. eben als superdichter superprivat getarnt. ich bin mir ziiiiiiemlich sicher, daß die nicht aus meinem bezirk waren, so wie die mich anglotzten. und daß die mich dazu inspirierten, diesen ganzen quatsch sogar aufzuschreiben, konnten sie in dem moment wohl auch kaum ahnen.