Dieser wunderbare Roman ist ein literarisches Debüt der Extraklasse, wie es nur wenigen Schriftstellern gelingt. In einer sehr poetischen und anmutigen Sprache wird eine traurige, tragische und bewegende Geschichte erzählt von einem Mann namens William Talmadge. Schon seit er ein Junge war, hat er zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester Elsbeth auf einer Obstplantage im US-Staat Washington gelebt.
Als nach dem Tod der Mutter eines Tages seine Schwester über Nacht verschwindet, trifft ihn das sehr, und er kann Elsbeth auch nach Jahren nicht vergessen. Sie ist bei ihm jede Stunde seiner geliebten Arbeit an den Obstbäumen. Die Gedanken quälen ihn und die Selbstvorwürfe. Was hat er falsch gemacht? Was hätte er tun können, um seine Schwester zu halten?
Irgendwann tauchen mitten in Talmagde Einsamkeit zwei schwangere Mädchen auf, die seine Äpfel stehlen. Er lässt sie gewähren und deshalb kehren sie wieder zurück. Beide Mädchen sind noch halbe Kinder und sie befinden sich auf der Flucht.
Obwohl sich Talmagde sicher ist, dass hinter der Flucht der Mädchen ein Verbrechen steckt, fängt er sofort an, sich um die beiden zu kümmern. Amanda Coplin erzählt auf eine berührende Weise und mit einer sanften und poetischen Sprache, die auch den eigentlich unergründlichen Ebenen menschlicher Emotionen sich gewachsen zeigt, wie Talmagde nach langer Einsamkeit und Trauer wieder innere Bindungen zulässt. Sie beschreibt Menschen, die hilflos ihrem Leben und ihrer Vergangenheit ausgeliefert sind. Menschen, denen die Zeit nicht ihre Wunden heilt und die aber dennoch in der Lage sind, Liebe zu empfinden und zu zeigen.
Es ist ein bis zu einem bewegenden Ende faszinierendes Buch über das, was im Leben wichtig ist und für das es sich lohnt immer wieder aufzustehen, obwohl die alten Wunden schmerzen und nicht verheilen wollen.
Auf den nächsten Roman von Amanda Coplin darf man diesem überzeugenden Debit gespannt warten.
Amanda Coplin, Im Licht von Apfelbäumen, Arche 2013, ISBN 978-3-7160-2684-7
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-01-13)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.