Mariam Naiem - Eine kurze Geschichte eines langen Krieges RUSSLAND GEGEN DIE UKRAINE
Buchinformation
Der Kampf der Ukraine für ihre Unabhängigkeit hat eine lange Tradition. Die Journalistin und Historikerin Mariam Naiem und die Zeichner Yulia Vus und Ivan Kypibida haben gemeinsam die vorliegende illustrierte Graphic Novel recherchiert und dokumentieren den jahrhundertelangen Kampf der Ukraine gegen die russische Vorherrschaft.
Die Geschichte der Gegenwart
Das Sachbuch, das ausschließlich von Ukrainer:innen geschrieben und illustriert wurde, zeigt die historische Perspektive des Konfliktes, der im 21. Jahrhundert zum vorherrschenden Konflikt zwischen europäischen Werten und autokratischer Herrschaft wurde. Aber in vorliegender Erzählung geht es abseits der großen politischen Ereignisse auch um die persönlichen Erfahrungen von Ukrainer:innen und wie sie den aktuellen Krieg erleben. Die Protagonistin Vika befindet sich in der Jetztzeit in ihrem Wohnhaus und versucht die tagtäglichen Bombenangriffe irgendwie zu überleben. Bei Bombardierungen solle man sich am besten zwischen zwei Wänden - also am Flur, Eingangsbereich oder Badezimmer - ohne Fenster aufhalten. Die Druckwelle der Bomben zerstört nämlich das Glas der Fensterscheiben, was zu erheblichen Verletzungen führen kann, rät ein aus einem Kriegshandbuch in vorliegender Graphic Novel. Wir befinden uns mit Vika mitten im Krieg und die erste Rückblende erklärt den Begriff Völkermord, der übrigens von dem polnisch-jüdischen Aktivisten Raphael Lemkin erstmals definiert wurde. Er bezeichnet den Holodomor als gezielten Genozid am ukrainischen Volk. Die "Liquidierung der Kulaken als Klasse" war von der Sowjet gezielt gegen die Ukraine eingesetzt worden, um einerseits den Ertrag zu verstaatlichen und andererseits die Bauern als Klasse auszulöschen. Denn das oberste Ziel der neuen Sowjetmacht war eine schnelle Industrialisierung und die damit verbundene Schaffung eines Proletariats, der vermeintlichen Avantgarde des Kommunismus.
Die Gegenwart der Vergangenheit
Aber auch das Christentum spielte eine wichtige Rolle. So wurden die sog. Kyjiwer Rus durch Fürst Wolodymyr den Großen, dessen Herrschaft von der Schwarzmeerküste bis fast an die Ostsee reichte, 988 christlich missioniert. 500 Jahre lang bestand dieses Reich, das vor allem durch seine Nachbarschaft mit dem damaligen Byzanz definiert wurde. Erst der Einfall der Mongolen veränderte das Herrschaftsgefüge, woraus Russland später die Erzählung vom "einen Volk" aus Russland, Belarus und Ukraine schmiedete. Auch dabei spielte die orthodoxe Kirche eine durchwegs politische Rolle und tut es heute noch. Im Luftschutzkeller in der Jetztzeit muss Vika dann die Nacht verbringen, wobei sie noch weitere Lektionen der ukrainischen Geschichte in Erfahrung bringt, etwa die Rolle der Kosaken als Träger des Demokratiegedankens und freien Menschen. Bis die Zarin Katharina den letzten Hetman abgelobte. Die Erzählungen der ukrainischen Geschichte sind reich illustriert und benutzen auch Originaldokumente als Vorlagen. So entsteht ein spannender Comic, der zwischen Vergangenheit und Gegenwart changiert und niemals den Fokus aus den Augen lässt. Der Maidan, die Revolution der Würde und das Duell zwischen Juschtschenko und Janukowytsch führen uns langsam in die Gegenwart in der trotz aller Bemühungen des Westens immer noch Krieg herrscht. Die Autor:innen begründen ihre Publikation mit den Worten: „Wie Sie sich vorstellen können, haben wir es ziemlich satt, dass über uns geschrieben wird, und brennen darauf, unsere eigene Stimme zu erheben.“ Dies ist ihnen eindringlich gelungen und man kann nur hoffen, dass sie von allen gehört wird.
Text: Mariam Naiem
Zeichnungen: Yulia Vus • Ivan Kypibida
Übersetzung aus dem Ukrainischen von Daria Velychko
Eine kurze Geschichte eines langen Krieges
RUSSLAND GEGEN DIE UKRAINE
2025, 104 Seiten, Flexcover, 18 x 27 cm, vierfarbig
ISBN: 978-3-96445-152-1
Avant-Verlag
25,00 €
[*] Diese Rezension schrieb: Juergen Weber (2025-10-27)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.