Kersty Grether - Rebel Queens. Frauen in der Rockmusik
Buchinformation
Die Zwillinge Kersty und Sandra Grether haben ein Buch über ihre Heldinnen der Rockmusik geschrieben. Den Titel haben sie den Protagonistinnen der Riot Grrrls Bewegung, Bikini Kill, entlehnt. Von ihnen stammt auch der Song "Rebel Girl", der auch gerne gepowert wurde und wird. Eine Playlist zum Mithören und zahlreiche Interviews und Abbildungen ergänzen das wohl baldige Standardwerk zum Thema Frauen in der Rockmusik.
Rebel Queens und Riot Grrrls
"Rebel Girl, you are the queen of my world", sang einst Kathleen Hannah, die auch Kurt Cobain zu seinem Megaseller "Smells Like Teen Spirit" inspiriert hatte. Wiederum ein Beweis, dass der Rock`n´Roll, die gute alte Gitarrenmusik eigentlich von Frauen erfunden wurde. Ein Blick zurück in die Musikgeschichte zeigt nämlich, dass es ohne Sister Rosetta Tharpe wahrscheinlich keine Rolling Stones gegeben hätte, sogar Elvis soll ihr damals gelauscht und heimlich abgekupfert haben. Ein Sprung in die Sechziger Jahre darf weder Grace Slick (Jefferson Airplane) noch Janis Joplin unerwähnt lassen. Letztere, die verspottete Außenseiterin, sollte ausgerechnet für ihre Generation sprechen, die sie noch am Schulhof als Schwein und Ekel beschimpft hatten, schreiben die Grether Sisters. Gleichzeitig warnen sie aber auch davor, dass Frauen in der Branche immer wieder als Einzelkämpferinnen dargestellt werden. Kollektive Identität (Band-Identität) bliebe eben Männersache, so die beiden Autorinnen kritisch. Joplin trennte sich von ihrer Band und erlitt Schiffbruch. Auch anderen Rebel Queens erging es später so. Aufregend ist dann der Vergleich zwischen Nico und Moe Tucker, die unterschiedlicher nicht sein hätten können und dennoch beide bei Andy Warhol's The Velvet Underground spielten. Aber auch Suzi Quatro und Joan Jett wird gehuldigt. Eine weitere Vergleichsgeschichte zwischen Karen Carpenter und Yoko Ono fällt - wenig überraschend - für letztere besser aus.
Unbeschreiblich weiblich - Slutrock Bands
Auch die deutsche Rock- und Popgeschichte hat hinsichtlich des Themas einiges zu bieten. Unvergessen bleiben etwa die Zeilen aus Nina Hagen's Song "Unbeschreiblich weiblich" (1978): "Und vor dem ersten Kinderschreien/Muss ich mich erstmal selbst befreien/Und augenblicklich fühl' ich mich/Unbeschreiblich weiblich, weiblich (weiblich)". Rückblickend liest es sich geradezu wie ein Manifest der feministischen Popgeschichte und es ist ganz egal, was später aus der Nina wurde. Die Humpe's sind an dieser Stelle natürlich ebenso zu nennen wie viele andere. Weitere Kapitel beschäftigen sich dann mit den Protagonistinnen der einzelnen Dekaden, also für die Neunziger etwa Courtney Love von Hole, die Ehefrau des oben schon erwähnten Kurt Cobain. Auch hier greifen die beiden Autorinnen auf das Erfolgsmodell Vergleich zurück und nehmen einerseits Love andererseits PJ Harvey in die Zange. Überraschenderweise schneidet vom feministischen - also selbstermächtigenden Standpunkt aus - Love besser ab als PJ, die sich als Twiggy inszeniert habe und sich auf einem ihrer Covers sogar als blassdünne Wasserleiche präsentiert habe. Das PJ-Bashing gipfelt in der Aussage, dass sie ihren eigenen (magersüchtigen) Körper gar als Missbrauchsobjekt zur Verfügung stelle. Dass das Cover von "To Bring you My Love eigentlich eine Hommage an ein Gemälde des englischen Malers John Everett Millais (1829–1896) "Ophelia" sein dürfte, ist im deutschsprachigen Kulturkreis scheinbar noch nicht so durchgedrungen. Kurzum: ausgerechnet Courtney Love habe mehr Charakter bewiesen, so die Grethers.
Weitere triumphale Songs
Wer sich gerne mit feministischer Theorie und Popmusik beschäftigt ist hier genau richtig. Ein aufmüpfiges, spannend zu lesendes Werk, das durchaus - angesichts des Themas- ja auch kontroversiell sein darf. Es ist wirklich von allem und für jede und jeden etwas dabei, über das man etwas wissen muss, wenn man noch mitreden will: Patti Smith, Tina Turner, Catpower, Amy, Debbie, Billie Eilish, Lady Gaga, Madonna bis Taylor Swift. Eine umfangreiche Bibliographie zum Thema macht Lust auf noch mehr triumphale Songs der Rebel Queens, was uns wieder zur am Anfang erwähnten Playlist führt.
Kersty Grether, Sandra Grether
Rebel Queens. Frauen in der Rockmusik
2025, Hardcover, 395 Seiten, mit farbigen und S/W Abbildungen
ISBN: 978-3-15-011506-0
Reclam Verlag
28,00 €
[*] Diese Rezension schrieb: Juergen Weber (2025-11-02)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.