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Rezensionen


 
Rebecca Solnit - Orwells Rosen
Buchinformation

Orwell legte 1936 auf der Insel Jura einen Garten, darunter sieben Rosensträucher, an. Rebecca Solnit ist das Grund genug, ein äußerst lesenswertes Buch über den Zustand der Welt damals wie heute zu verfassen. Es ist keine bloße Biographie, sondern vielmehr als das. Bezüge zum Werk Orwells und der Jetztzeit machen "Orwells Rosen" zur Pflichtlektüre eines jeden Weltbürgers, wie auch Orwell einer war.

Triumph der Abschweifung

"Und gerade 1936 war ein Jahr, in dem viele ein säkularer Glaube erfüllte, der noch 1935 für unmöglich gehalten worden wäre. Das irdische Paradies schien kein unerreichbarer Traum mehr zu sein.", zitiert Solid den Anarchisten George Woodcock, der sich in jenem Jahr ebenfalls wie Orwell an der Front im Spanischen Bürgerkrieg befand. George Orwell hatte sich wie viele andere Weltbürger freiwillig zu den Waffen gemeldet, um die gewählte Rebpublik vor dem Vormarsch des aufständischen Faschismus zu retten. Bald wurde die Losung von "Brot und Rosen" zu "Toast mit Butter", denn viele forderten die Realisierung einer immer konkreter werdenden Utopie. Der Mensch würde mehr brauchen, als nur Essen, Geist und Körper sollten gleich befriedigt und erneuert werden. Mit viel Detailliebe schildert Solnit auch das Schicksal der Fotografin der berühmten "Rosen", Maria Modotti, die sich aufgrund ihres Idealismus zu einem willkommenen Opfer der Stalinisten machte, die in Spanien hinter der Front wüteten. Denn die spanischen Anarchisten befanden sich gleich zwischen zwei Fronten: einerseits die Falangisten Francos, andererseits die Schergen Stalins, die etwa Andrés Nin, führender Kopf der POUM, ermordeten. Ein mindestens ebenso beeindruckendes Kapitel ist auch das vierte, mit dem Titel "Stalins Zitronen": 2+2=5. Die ethische Intention schärft die ästhetischen Mittel.

Desintegration und Diskrepanzen

Aber Solnit spannt den Bogen noch weiter. Er reicht von den Kohlengruben Englands bis in die kolonialen Gebiete des einstigen Imperiums und stellt den Zusammenhang quasi beim Teetrinken her: indischer Tee, chinesiches Porzellan, karibischer Zucker. Die Verheerungen der Globalisierung stellt sie im Kapitel über die Rosenproduktion in Kolumbien her. Das Land stellt unter dramatischen arbeitsrechtlichen Bedingungen 1,65 Millionen Rosen pro Tag für den großen Bruder im Norden her. Zu Muttertag und Valentin sind es sogar sechs Millionen, die in Kisten in Boeing 747s in die USA geflogen werden. Eigentlich sind es nur die Knospen, denn die Rosen die - quasi chemisch - in den Suburbs großer Städte in Maquilladores hergestellt werden, haben mit echten Rosen wenig zu tun. Die Arbeiter:innen haben ein Produkt vor sich, das weder blüht, noch sticht, noch duftet. Zudem verbraucht die Produktion dieser "Rosen" Unmengen an Wasser, das andernorts besser verwendet werden könnte. Gibt es ein besseres Symbol für Entfremdung? Solnit verknüpft Textpassagen aus Orwells bekanntesten Werken und zeigt, wie aktuell die Warnung/Prophezeiung des Autors uns heute schon gekommen ist. Ein dramatischer Appell an uns alle, endlich Verantwortung für den Planeten zu übernehmen und selbst einen Garten zu pflanzen. Oder sogar mehr. Ein beeindruckendes, poetisches und doch literarisches Werk, das Rebecca Solnit hier vorlegt und in jeder Hinsicht neue Maßstäbe setzt, sowohl bezüglich Biographie, Roman als auch Sachbuch. "Orwells Rosen" ist mehr als nur ein bloßes Buch: es eröffnet neue Perspektiven und zeigt einmal mehr, dass nur die Schönheit uns retten wird können.

Rebecca Solnit
Orwells Rosen
Übersetzt von: Michaela Grabinger
2022, Hardcover, 352 Seiten
ISBN: 978-3-498-00313-5
Rowohlt Verlag

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2022-07-29)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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