Kenon
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 17.08.2005 um 23:13 Uhr |
In "Das Werk der Artamonows" (1925) befindet sich Maxim Gorki auf feindlichem Territorium: Er schildert den Aufstieg und Niedergang einer russischen Bourgeois-Familie, beginnend in der Zeit nach der Aufhebung der Leibeigenschaft (die 1860er Jahre) bis zur Oktoberrevolution. Drei Familien-Generationen sind in die Handlung des Romans verstrickt und doch hat das Buch - vergleicht man es mit den Familienporträts von Mann und Zola - nur einen sehr bescheidenen Umfang.
Den Aufstieg der Artamonows zu schildern, fällt Gorki nicht leicht. Es scheint, als wolle er jegliche Euphorie beim Leser vermeiden, und so vollziehen sich die dem Erfolg den Grund legenden Taten der Artamonows in den ersten Jahren ganz im Verborgenen: Da ist also eine neue Textilfabrik im Örtchen Drjomow gebaut worden, irgendwie ist sie erfolgreich, wird größer. Es entstehen eine kleine Arbeitersiedlung, eine Kirche, ein Krankenhaus und natürlich auch ein eigener Friedhof für die verbrauchten Arbeiterkörper. Da es an den Verfall der Familie und der zu ihr gehörenden Persönlichkeiten geht, wird der Roman lebendiger. Man merkt: Das, eigentlich nur das, hat der liebe Gorki schreiben wollen. Natürlich geht es - wie so oft bei diesem Autoren - immer ein bißchen wie im Märchen zu: "[...] die Anzahl der Fehltage stieg beträchtlich, die Leute begannen mehr zu trinken, die Frauen bekamen kranke Kinder. Der lustige Schreiner Serafim [...] verfertigte in einem fort kleine Särge und nagelte auch oft aus Tannenbrettern letzte Ruhestätten für Erwachsene zusammen, die mit ihrem Arbeitspensum fertig waren" - aber auch gerade dafür kann man Gorki mögen.
Während der materielle Reichtum der Artamonows wächst und wächst, schreitet die seelische Degeneration der Familienmitglieder immer weiter fort. "Die Menschen arbeiteten, waren an ihre Unternehmungen festgekettet und gaben sich ihnen nur zu dem Zweck hin, um möglichst viel Geld zusammenzuraffen; dann aber verbrannten sie dieses Geld und warfen es in Haufen vor die Füße liederlicher Weiber. Und das alles waren angesehene, würdig aussehende, verheiratete Männer, die Kinder hatten und ungeheure Fabriken leiteten". Wozu mehr und immer mehr?? - bis die Menschen irgendwann doch an Grenzen stoßen müssen, bis sie im Sumpf ihrer Unmoral und Habgier versinken und krepieren.
Gorki hat seinen Roman dem französischen Schriftsteller Romain Rolland gewidmet und schrieb diesem: "Ich selbst glaube auch, daß er besser gelungen ist, als alle meine bisherigen Versuche, schreiben zu lernen". Die Richtigkeit dieser Feststellung muss bezweifelt werden - allein schon, wenn man "Das Werk der Artamonows" mit Gorkis autobiographischer Trilogie oder frühen Texten wie "Der Sturmvogel" vergleicht.
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