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Literaturforum: Schattenspiel eines stummen Schreies


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 Thema: Schattenspiel eines stummen Schreies
excessus
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seit dem 10.12.2007

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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 08.09.2009 um 18:34 Uhr

Schattenspiel eines stummen Schreies

Wörter fliegen wie Wolken, durch das Gewölbe meiner Gedankenwelt, die sich in der Arena meiner Gefühlsabgründe auf- und entladet. Allein, in meiner Vorstellungskraft verbrennen die Schatten des Mondes in einem Kosmos gespannter Aufmerksamkeit. Meine Hoffnung auf Liebe erstickt in einer weiteren schlaflosen Nacht. Die Einsamkeit schreit ihr sehnsuchtsvolles Lied still in die kalte Dunkelheit. Sorgenspuren pflastern meinen Pfad, ihr widerlicher Geruch liegt über dem Gefilde meiner Erinnerungen vom verlorenen Paradies. Meine Gebete steigen zu weit entfernten Sternenlichtern, sie flimmern gleichmäßig zurück und scheinen von einem anderen Leben zu erzählen, von harmonischer Gemeinsamkeit.
Ich schreibe Liebesbriefe zum Himmel und bin doch gefangen in dem tragischen Spiel eines verfluchten Schicksals. Ich will nicht immer nur ein Opfer sein, ich will auch einmal die Grenzen zwischen Schein und Sein überschreiten, das heißt ich will nicht immer nur träumen müssen, nein wenigstens eine meiner unzähligen Illusionen sollte sich endlich zu der
zeugenden Denkwürdigkeit einer Realität befreien!
In dieser Bewandtnis warte ich auf ein überraschendes Wunder, wie auf einen Lichtstrahl, der seinen Weg durch eine Gewitterfront findet, denn ich verspüre die brennende Sehnsucht, dass sich alles zu einem guten, sinnvollen Ganzen zusammenflechten möchte.

Es ist eine regnerische Nacht, an der Fensterscheibe spielen die Regentropfen Sein oder Nichtsein, indem sie in ruhelosen, subtilen Tempi dagegen nieseln, zerplatzen und das Glas, in einem immer stärker werdenden Guss sich vereinend, Richtung Erdanziehungskraft hinunter schwimmen. Dieses elementare Naturereignis ist mir atmosphärisch vertraut. Sind diese Regentropfen nicht die Tränen des Himmels, als eine geheimnisvolle Sprache der ewigen Wahrheit?
Von der Schattengalerie der Nacht in einer Art Katakombenwelt, schwarzen Löchern gleich, bedroht, versuche ich, auf der Suche nach dem Wahrheitssinn, die Zeit zu säumen. Insekten werden mir in meiner Einsamkeit zu den einzigen Gesprächspartnern. Ihr unerträgliches Schweigen spricht so viel lauter als Wörter.
Auf dem Ritt durch die Aschenglut meiner qualmenden Zigaretten versucht mein Geist in der Aufsprengung aller Grenzen die Eindrücke meiner Sinnesorgane zu übersetzen. - Schreiben ist jederzeit eine Erweckung von Gestalten und eine Beschwörung von Erlesenem. Durch diesen Zauber erlangt man Gewalt über oftmals uneinkalkulierte Möglichkeiten des Seinszustandes, so dass sich ein schillerndes, uneingeschränkt wandelbares Universum eröffnen kann. -
Dokumentiert in der Obhut meiner Gedankenwelt kribbelt ein kleiner schwarzer Kobold mit dem permanenten Blick von glasig - kalten Facettenaugen über und unter meine Haut. Er flüstert: "Hallo, ist hier drinnen jemand, nicke mir zu, wenn du mich hören kannst. Wenn du dich heut Nacht verloren fühlst, dann verwandle dich. Dämme das Licht, mache es dir bequem, entspanne dich und versenke dich in das All - Eins. Sieh dich um in diesem Wirkungskreis, du bist nicht allein in deinem Traum. Auf diesem Flügel der Nacht bin ich immer schon hier gewesen, ich habe immer mit diesen Komplexaugen in dich und aus dir hervorgesehen. He du, du wartest auf jemand, mit dem du reden kannst, berühre mich. Alles existiert in deiner Vorstellungskraft. Denkst du den Schauder der Entgeisterung zu empfinden, wenn du herausfinden möchtest, was sich hinter diesen kalten Augenwinkeln meiner Maske verbirgt? Öffne die Herzmuscheln deiner kreativen Luftschlösser! Es braucht nicht so zu sein, wie es zu sein scheint. Stell dir vor, ich bin du, und was du verstehst bin ich, und zwei sind besser als einer in einem, und wenn ich nicht du wäre, wüsste ich nicht, was Tag und Nacht ist. Schau dir den Himmel an, je dunkler die Nacht, um so heller erscheinen die Sterne, und wir strömen durch einen sternengefüllten Himmel. Fällt bei dir langsam der Regen auf die Dächer deiner Unsicherheit, ich dachte all die Jahre an deine Traurigkeit. Du weißt, das Sternenzelt kann stürmisch sein, das Schicksal seufzt oft schwer unter seinem Kummerjoch, aber es hat ein janusköpfiges Gesicht, das Licht will gerade die Dunkelheit erleuchten. Den Weg in die süße Freiheit musst du dir bitter und teuer erkaufen, du hast die Zeit, du hast die Kraft, du hast die Himmelsmacht deine Lebensaufgaben mit Hingabe zu bewältigen. Vertraue mir, du wirst ein Zeichen erspähen. Also ertrinke nicht, wenn du von den Lasten- und Leidenssteinen hinabgezogen wirst. Wenn die Finsternis der Sorgen dich erdrosselt, gebiert eine gute Tat einen Freudenfunken. Trage deine Sinneseindrücke nach außen, ich gebe dir die Gedankenfülle, die dich klar durch die Wolken sehen lässt, welche dich bedecken. Lenke die Beherrschung deiner Gedanken auf die Zauberflammen der Liebessonne. Fließe in deinen schönsten Träumen dahin und lasse sie niemals enden. Suche alle Lösungen in deinem Herzen, dort findest du den Schlüssel für die Saat aus der Hingabe Hoffnung, mit der die Welle der Liebeserlösung deinen inneren Küstensaum erreichen kann."
Er lacht und verpasst mir einen Stich, es wird mir schwindelig, wie durch einen exotischen Hochspannungshorrortrip schlägt der Blitz in mich ein, ich habe das Gefühl, als würde es mir meine Zähne aus dem Zahnfleisch reißen und Blut unter meinen Fingernägeln hervorspritzen. Schweißperlen überfluten meine Stirn, meine Venen brennen, bittere Tränenströme regnen durch meine Augen, mein Gehirn explodiert, mein Herz zittert, meine Lungenflügel ringen verzweifelt nach Luft, mein ganzer Körper glüht, wie Silber im Schmelzofen, von unerträglichen Höllenqualen befallen, so dass Leib, Seele und Geist von wahnsinnigem Entsetzen gepackt werden. Alle Schutzschirme lösen sich auf.
Leb wohl, erbarmungslose Welt. Ich warte darauf, dass in der versackten Isolation in meiner Bunkerzelle hinter diesen kalten Mauern, wo die Schatten an den Wänden heranschleichen, sich bald die Würmer einfinden.
Ein Blitz und das Grollen des Donners, kein Platz zum Verstecken, keine Spur die Zeit zurückzudrehen, alles ist gefesselt in den Verstrickungen meines Schicksals. Der Wind entfacht ein Feuer, die Flasche Schnaps steht bereit. Ich bin nur noch ein Schattenstrich meiner selbst. Ich erstarre in meiner dunklen Kammer, draußen ist es kalt, und drinnen erstickt mich der Zigarettenqualm. Alles dreht und dreht sich wie ein Karussell in einem giftigen Nebelschwall. Farben und Formen verschwimmen beißend in meinen Augäpfeln. Ich bin alt geworden und ringe nach Luft, es dröhnt in meinen Ohren. Höllengeschrei, Erdbebenbersten, mein Herz schlägt, das ist keine Täuschung, so sicher wie der Fluss zum Meer, dem Tod entgegen. Er schleicht schon ums Gemäuer. Die Ängste werden geschürt und gebannt. Majestät, ich bin bereit, noch eine letzte Zigarette. Meinen Geburtstag hätte ich mir anders vorgestellt.
Indem ich das Wasser der Echos von Abschied und Verzicht trinke, fahre ich durch den Traum eines Schattenreiches. Ich pflanze den Kern des neuen Keims und buche meine Fahrkarte ins Jenseits. Die Zeit steht still, es ist dunkel wie in einem Pottwalbauch, jetzt scheint es endgültig aus und vorbei zu sein.....

Sanfte Sangessamen in kosmische Klangkaskaden eingebettet empfangen mich leise, aber weihevoll. Ist diese Musik die Antwort meiner verzweifelten Gebete? Kann sie ein himmlisches Wunder bewirken? Ist sie die Wirkungsstimme Gottes? In der größten Verzweiflung keimen oft der Seelen zarte Hoffnungsblüten.
Nur die Musik der Einsamkeit kann gestalten, was man mit Wörtern niemals aussprechen kann. Ihre Melodien, erfüllt mit den unvergleichlich empfindsamen Harmonien reizvoller Stimmen im rhythmischen Tontanz, fließen in die Pforte einer Welt einzigartiger Stimmungen, Fantasien und Inspirationen, im Aufbruch einer Reise in die außergewöhnlichen Räume mystischer Energie, die wertvolle neue Impulse entwickelt, so dass in meinem Bewusstsein farbenprächtige, metaphysische Bilderlandschaften, kraftvolle kleine Kunstwerke entstehen, in deren lebhaft schimmernden Lichttönen Vergangenheit und Gegenwart in rauschender Geschwindigkeit eins werden.

In dem Spannungsfeld zwischen äußerer Tristeste und innerer Seelenharmonie, Tod und Transzendenz fackelt eine Kerze in meiner alten Birne, die meinen unglücklichen Geist in diesen langen, finsteren Stunden erhellt. In einem Augenblick der Zeitlosigkeit wird er intuitiv in den Nährwert des Geschehens eingewebt. In dieser spirituellen Erfahrung schärft sich meine seelisch-geistige Eindruckswelt, wie durch eine innere Stimme Gottes vernehme ich folgende Verse:
"Des Lebensspiel von Anbeginn
ist voll mit Leiden, das macht Sinn,
denn ist der Weg steinig und schwer,
so bietet sein Ziel umso mehr,
gerade wenn die Nacht anbricht,
beginnt sodann das Sternenlicht.
Das Schicksal nimmt seinen vorbestimmten Lauf,
gib den Glauben an das Gute niemals auf.
Nur wer die Liebe nicht vergisst,
ein Mensch inmitten Menschen ist.
Gewinnt die Fantasie Allmacht
auf Wort und Bild, sei es vollbracht.
Es ist besonders einfach zu verstehen,
mit Leidenschaft musst du durchs Leben gehen."
Ich halte inne am Ufer der Verwandlung und Tiefe und schaue durch das Vordergründige hindurch auf den Grund unendlicher Möglichkeiten der Liebe und Hoffnung göttlicher Nähe, die dem Leben in der Dunkelheit eine neue Richtung der Besinnung anbieten. In tiefer Versenkung leuchte ich das mystische Fenster der neu erkannten Realität aus, im Universum existiert nichts getrennt von Schatten und Licht. Irgendwo in der Mitte liegt die Harmonie. Mein Gemüt wird still, sammelt und reinigt sich, tief im Inneren tauche ich ein in die Quelle des Weltenlaufes.
Jetzt da ich alle Facetten der faustischen Wahrnehmungsveränderung ausgelotet habe, dünkt der heutige Wirkungsweg noch nicht am Ende. Eine Glocke der lebhaften Empfindung läutet durch den nebligen Dämmerungsring des Morgens. Im Schleierhauch geheimer Wunder wiegen mich ätherische Lichtgestalten in einem ruhevollen Frieden.
Mein Schmerz findet seine Heimat in einer gewaltigen, angenehm beflügelnden Stärke der Wiedergeburt. An das Stromnetz der Liebe angeschlossen, gestaltet sich mein Alptraum in Fantasieblitzen, über alle Wörter des Kosmos hinaus, zu einem Regenbogentraum und die Sterne lachen am Firmament im Farbenglanz heftiger Feuerschweife. Jetzt wird alles in die entscheidende Richtung gelenkt. Ich erobere, in ständiger Fortpflanzung meiner Fantasiepotenz auf einer Zeitzurückkehrreise das Paradies, oder ist das nur eine Fata Morgana? Egal ob Sein oder Schein. Aus der Asche meiner Konstellationen malt sich ein wunderbar tröstendes Bild heraus, in dem alles Böse verloren ist. Wie ein Kind bestimmt mich mein nachhaltiges Durchbruchserlebnis, zum Herzen meiner Einsicht vorzudringen. Die Zeit löst sich auf, weil jetzt alle Anhaltspunkte verloren gegangen sind. In der Magie eines Augenblicks werde ich mir der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Vergänglichkeit und Ewigkeit bewusst. Nun träufelt es aus meinen Gedankensphären wie Tautropfen aus dunklen Wolken: Alles fließt in den warmen, weichen Mutterschoß zurück. Was für ein Mysterium, die Himmelspforte ist doch so nah, diese Liebesnahrungsquelle des Lebens ist das Schlaraffenland, nach dem ich mich so gesehnt habe auf meinem Reiseversuch in die Vergangenheit.
Diesem Zauberlorbeer des Anfangs liegt der entscheidende Signalgeber des ganzen Lebens inne. Mit diesem Einblick meiner lakonischen Reflexionen in die Dialektik des Licht- und Schattenspiels meiner Kopfwelten glaube ich mich selber und alle und alles um mich herum
besser verstanden zu haben. Nachdem mich diese besinnliche Bewusstseinserweiterung,
verkleidet hinter der Maske dieser Zeilen berührt hat, fühle ich mich wie aufgeweckt und wunderbar ausgeschlafen! Nun hat diese merkwürdige Geschichte die Zeit, ihre Wirkung zu entfalten.


Lieber das Unmögliche möglich machen, als das Mögliche unmöglich.
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