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Literaturforum: Diversity Management 101


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Forum > Politik & Gesellschaft > Diversity Management 101
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 Thema: Diversity Management 101
Kenon
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 09.03.2021 um 23:47 Uhr

Artikel 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland enthält zwei der schönsten Sätze unserer Verfassung, weil sie ethisch erhaben und edel für die Gleichheit aller Menschen, die hier leben, stehen:

Zitat:

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Niemand darf also wegen der oben genannten Merkmale benachteiligt oder bevorzugt werden; es wird also nicht nur negative sondern sogar auch positive Diskriminierung gesetzlich untersagt.

“Diversity Management” ist nun eine dieser wunderlichen neuen Disziplinen, bei denen man sich fragt, was eigentlich dahinter steckt. Unternehmen verspricht man auf Basis von Studien größeren Erfolg, wenn sie die “Diversität” in ihren Teams erhöhen, also dirigierend in die Teamzusammensetzung eingreifen, schlicht: die “Diversität managen” also “Diversity Management” betreiben. Das leuchtet schon irgendwie ein: Mal abgesehen davon, dass es ihn sowieso nur einmal gibt, hat der FC Bayern nicht fünfmal den Lewandowski im Kader sondern auch noch ein paar anders geartete Spielerpersönlichkeiten – und bei Spielen der polnischen Nationalmannschaft sieht man ja, dass ein Lewandowski allein keinen Titel gewinnt. Unterschiedliche Profile ergänzen sich und können Bestandteile eines starken Teams bilden; diese Art der Diversität scheint beim “Diversity Management” aber nicht gemeint zu sein. Eher geht es um die bewusste Gestaltung von Teamzusammensetzungen nach Merkmalen, die Artikel 3 des Grundgesetzes auflistet; beispielsweise kann sich ein Unternehmen das Ziel setzen, jetzt endlich genauso viele Männer wie Frauen (Kita, Schule) zu beschäftigen – und selbstverständlich auch umgekehrt (IT, Straßenreinigung), selbst wenn es davor Frauen oder Männer bei der Einstellung nicht bewusst negativ diskriminiert hat.

Wenn ich mir einmal erlauben darf, böse zu sein: “Diversity Management” gab es bereits im Dritten Reich – natürlich mit negativem Vorzeichen: Die Reduktion der Diversität war Staatsdoktrin und forderte Millionen Opfer. Die negative Diskriminierung der Menschen mit den “falschen” Merkmalen hatte eine positive Diskrimierung der Menschen mit den “richtigen” Merkmalen zur Folge – und andersherum, je nachdem, von welcher Seite man das Pferd aufzäumt.

Ein Unternehmen kann heutzutage, um seine Diversität zu steigern, bestimmte Bewerber eher berücksichtigen, weil sie in dieser Dimension mehr beizutragen haben. Sie haben dann eventuell das richtige Geschlecht, die richtige Sexualität, die richtige Heimat, die richtige Herkunft, die richtige Sprache um für noch mehr Vielfalt in einem Team zu sorgen. Das ist dann ganz sicher eine Form von positiver Diskriminierung. Wo es positive Diskriminierung gibt, ist die Kehrseite immer negative Diskriminierung, denn es gibt dann auch den Bewerber, der das falsche Geschlecht, die falsche Sexualität, die falsche Heimat, die falsche Herkunft, die falsche Sprache hat, auch wenn er sich für eine Stelle aufgrund seiner Persönlichkeit und Erfahrungen, seines Wissens und Talents gleich gut eignen mag.

Ein Unternehmen, das seine Diversitätskennzahlen vor allem auch für die Außendarstellung optimiert, mag sich dafür feiern, Arbeitnehmer aus 50, 90 oder gar 120 Ländern der Erde zu beschäftigen. Das sind sicherlich großartige Zahlen, die ein beeindruckendes kosmopolitisches Symbol abgeben – eine Firma als Spiegelbild der Erdgemeinschaft, aber wenn sich ein solches Unternehmen gleichzeitig dafür feiert, diese Arbeitnehmer mit Äpfeln zu versorgen, die nicht weiter als 80 Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt gewachsen sind und die damit einen geringen ökologischen Fußabdruck haben, sehe ich hier schon einen Glaubwürdigkeitskonflikt: Die Mitarbeiter aus aller Herren Länder werden auch zahlreiche Flugreisen unternehmen, um ihre Heimatländer immer mal wieder zu besuchen und ihre Bekannten und Familien werden sie im Gegenzug auch gern in ihrem neuen Land besuchen wollen. Warum gilt für die Mitarbeiter nicht, was auch für die Äpfel gilt – oder umgekehrt?

Das Gegenteil von einem Fehler ist wieder ein Fehler – so heißt es. Das ist zugleich banal und doch sehr tief. Deswegen ist unser Grundgesetz in dieser Hinsicht so streng: Es untersagt, wie eingangs gezeigt, negative als auch positive Diskrimierung anhand der genannten Merkmale; daher bin ich gegenüber dem “Diversity Management” wie vielen anderen Erscheinungsformen des “woken” Zeitgeistes doch eher skeptisch eingestellt.

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ArnoAbendschoen
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1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 13.03.2021 um 22:18 Uhr

Allmählich wird es mir unangenehm, Kenon, dir so oft zustimmen zu müssen. (Okay, manchmal schweige ich dafür auch und bin tatsächlich anderer Auffassung.) Ich will hier gar nicht auf deine gerechtfertigten grundsätzlichen Einwände eingehen, sondern etwas aus rein praktischer Perspektive beisteuern.

In Berlin wird von Seiten des Landes dieser Prozess besonders energisch anzuschieben versucht. Wie aber sieht es mit dem zur Verfügung stehenden Reservoir an Arbeitskräften aus? Gibt es in absehbarer Zeit ausreichend geeignete Bewerber für freie Stellen, um die selbst gesetzten Ziele zu erreichen? Wahrscheinlich nicht. Die Schulbildung ist in Berlin an staatlichen Schulen in der Breite miserabel und bei weitem am schlechtesten sind in der Regel die Ergebnisse dort, wo der Quote der perspektivisch Begünstigten besonders hoch ist. Diese Brennpunktschulen produzieren in großer Zahl nur minimal Qualifizierte. Zahlreiche Reformversuche haben bisher die Misere nicht beheben können. Wenn es so bleibt, werden die Vorrechte ohnehin nur auf dem Papier stehen. Ist es also nur Symbolpolitik im Hinblick auf Wählerstimmen und parteipolitische Profilierung?

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Kenon
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2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 16.03.2021 um 19:55 Uhr

Danke Arno für Deine Ergänzung. Beim Eingangstext habe ich tatsächlich nur am Rande an das Berliner Paritätsgesetz (Quotierung nach Geschlecht) und / oder die Migrantenquote gedacht. Ich weiß nicht, ob es den letzten Stand widerspiegelt, aber das Gesetz zur Migrantenquote soll ja nun vom Tisch sein – und durch “freiwillige Regelungen” ersetzt werden, wobei diese “freiwilligen” Regelungen ja dann doch immer gern wie Gesetze behandelt werden.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/spd-setzt-sich-gegen-linke-durch-berlin-verzichtet -auf-migrantenquote-im-oeffentlichen-dienst/26888982.html

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ArnoAbendschoen
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3. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 16.03.2021 um 21:58 Uhr

Meine weitere Recherche ergab: Nach wörtlich übereinstimmenden Presseberichten vom 9.3.21 ist das Anfang Februar verabredete Gesetz nun vom Senat "auf den Weg gebracht" worden. Soll wohl heißen: Gesetzentwurf wurde in der Senatssitzung verabschiedet. Seine Details wurden nicht vorgestellt. Falls sie dem Parteienkompromiss vom Februar entsprechen, so scheint mir diese Lösung a) in sich widersprüchlich und b) evtl. immer noch verfassungswidrig, denn bei gleicher Qualifikation soll der migrantische Bewerber bevorzugt werden.

Insgesamt ist das Ziel, den Anteil von Migranten und vor allem von deren Nachkommen am Verwaltungspersonal wesentlich zu erhöhen, gewiss löblich und der Unterstützung wert. Der naheliegende Weg dorthin bleibt allerdings die Behebung der Bildungsmisere. Oder soll es ähnlich wie bei der Berliner Polizei laufen, wo man krassem Mangel an geeigneten Bewerbern durch Absenken des Anforderungsprofils abgeholfen hat? Und das Klagelied der gewerblichen Wirtschaft hier über fehlende Grundvoraussetzungen für gelingende Ausbildung ist die Begleitmusik, die nicht verhallt, im Gegenteil. Arme Stadt mit illusionärer Stadtspitze.

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Kenon
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4. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 20.03.2021 um 09:43 Uhr

Zitat:

Arme Stadt mit illusionärer Stadtspitze.

Den Einwohnern scheint es egal oder sogar ganz recht zu sein; Umfragen aus dem Februar deuten darauf hin, dass sie das Ergebnis von 2016 mit unwesentlichen Abweichungen im Herbst bestätigen werden.

Bildung allgemein ist ein großes Thema, in Berlin wäre aber mehr zu tun als bspw. in Bayern, gerade in Zeiten der Pandemie: Ist es nicht schockierend - nicht nur für unser Selbstverständnis -, dass wir beim E-Learning auf dem letzten Platz rangieren, während Estland, die Niederlande und Finnland die Spitze unter sich ausmachen? In wenigem kommt die Verachtung der Jungen in Deutschland so stark zum Ausdruck wie im Elend der Bildung.

https://www.ifun.de/e-learning-deutschland-ist-europas-schlusslicht-165337/

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Kenon
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5. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 05.04.2021 um 00:57 Uhr

Hier noch eine Leseempfehlung zum Thema:

Sandra Kostner - Identitätslinke Läuterungsagenda: Eine Debatte zu ihren Folgen für Migrationsgesellschaften (2019)

Sandra Kostners erste Begegnung mit linker Identitätspolitik geht auf Erlebnisse zurück, die sie bereits 2003 in Australien machen musste. 15 Jahre später, nach gründlicher Auseinandersetzung mit dem Phänomen, hat sie dieses Buch verfasst, das aus einem Vorwort, einem "Impulsbeitrag" und diversen Repliken darauf besteht. Kollegen warnten sie vor der Veröffentlichung, da sie sich damit eigentlich nur selbst schaden könne.

Es ist ein interessanter Beitrag zu einem Thema, das leider auch in Deutschland immer aktueller wird.

Kostner prägt interessante Begriffe wie Identitätsgefängnis, politisierte Diversitätsgruppen, identitätslinke Opfer- und Schuldentrepreneure.
Ihr Buch ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt unserer liberalen Gesellschaft, die von Quoten- und eigensinniger Lobbypolitik ausgehöhlt wird.

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