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Biographie: Rosa Mayreder


 
(* 30.11.1858 – † 19.01.1938)

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Rosa Mayreder: Ein Leben in Daten und Fakten.

Rosa Mayreder wurde am 30. November 1858 in Wien geboren. Sie war die Tochter eines Gastwirtes namens Franz Obermeyer und dessen um 29 Jahre jüngeren, zweiten Frau Maria. Sie ist das erste Kind aus der Ehe von Franz und Marie Obermeyer, geborene Engel. Der Vater besaß das Gasthaus „Winterbierhaus“ (Harriet Anderson spricht von einem Gasthaus „Zum Winter“) in der Landskrongasse. Dieses Gebäude existiert leider nicht mehr. Das Haus wurde im Zuge der Wiener Altstadtsanierung im Jahre 1901 abgerissen. Ab 1865 besucht Rosa Obermeyer das Privatmädcheninstitut der Maria Hanasek in Wien I, Am Hof 5 und 1868 tritt sie in das Institut der Sophie Paulus in der Spiegelgasse ein.

Als höhere Tochter erhält sie auch Privatunterricht in Französisch, Malerei und Klavierspiel. Der Vater erlaubt ihr an den Griechisch- und Lateinstunden eines ihrer Brüder teilzunehmen.

1874 beginnt die intensive Auseinandersetzung mit Richard Wagner, Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche. 1877 verlobt sie sich mit dem Architekten Karl Mayreder. Zwei Jahre später nimmt sie auf Anraten Karl Mayreders - nach einem bereits missglückten Versuch bei Professor Ferdinand Maaß - Malunterricht bei dem bekannten Landschaftsmaler Hugo Darnaut, später bei Tina Blau
Karl Mayreder und Rosa Obermeyer heiraten im Jahre 1881. Beide bleiben zusammen bis zu Karls Tode im Jahre 1935. Sie versucht – trotz zwei außerehelicher Beziehungen – diese Ehe in aller Offenheit und Liebe zu führen und gesteht ihrem Lino (als Abkürzung von Carlino) stets ihre außerehelichen „Verfehlungen“. Hilde Schmölzer meint, dass besagte außerehelischen Beziehungen ein Beispiel dafür seien, dass intellektuelle Ansichten und Gefühlsleben bei Mayreder nicht immer kompatibel seien. (Schmölzer: 2002: 67). 1883 hat Rosa Mayreder eine Fehlgeburt. Leider sind die Tagebuchaufzeichnungen von Rosa Mayreder in den 1880er Jahren sehr spärlich. Von 1889 bis 1905 fehlen die Aufzeichnungen zur Gänze.

Von 1887 bis 1889 kommt es dann zur ersten außerehelichen Beziehung mit einem uns unbekannten Mann. Mayreder verschweigt den Namen. 1888 gerät Rosa Mayreder in den Kreis um Marie Lang (Rudolf Steiner, Hugo Wolf, Friedrich Eckstein). Sie beginnt sich mit der Anthroposophie auseinander zu setzen.
Nur kurze Zeit später, 1891, werden im Künstlerhaus erstmals Aquarelle Rosa Mayreders ausgestellt. Ab 1893 ist Mayreder im Vorstand des österreichischen Frauenvereins, gemeinsam mit Auguste Fickert und Marie Lang; einige ihrer Bilder werden an der Weltausstellung in Chicago ausgestellt. Sie festigt ihren Ruf als Malerin. Eine Tatsache, die bei der heutigen Rezeption, fast schon in Vergessenheit geraten ist.

Am 13. Januar 1894 spricht sie erstmals öffentlich bei einer Frauenversammlung im Alten Rathaus zum Thema Prostitution, ein Leitthema in den feministischen Schriften. Mayreder sieht in der Prostitution ein Grundübel. Ein Zitat zur Illustration: “Die doppelte Moral duldet die gemeinste und schädlichste Form des Geschlechtsverkehrs, die Prostitution, indes sie die natürliche Rechtfertigung desselben, die Zeugung, als außereheliches Geschehnis verurteilt.“ (Geschlecht und Kultur: 1923) Man kann sich leicht vorstellen, dass derartige Aussagen nicht unbedingt auf Gegenliebe stießen. In Kreisen des männlichen Bürgertums galt die Frequentierung von Damen aus dem horizontalen Dienstleistungsgewerbe auch als sexueller Initiationsritus für angehende männliche Erwachsene. Ende des Jahres wird die Ethische Gesellschaft in Wien gegründet, in deren erstem Jahresbericht Rosa Mayreder als Schriftführerin aufscheint
1896 erscheint der erste Novellenband „Aus meiner Jugend.“ Im selben Jahr findet die Uraufführung von Hugo Wolfs einziger Oper „Der Corregidor“, deren Libretto (Textentwurf) Rosa Mayreder geschrieben hat, in Mannheim statt. Auch diese Beziehung ist äußerst spannend. Mayreder ist immer der Meinung, dass das Libretto zu der Corrigidor nicht fertig sei. Wolf will ihre Einwände nicht verstehen und besteht auf dem Entwurf. Die Briefe von Hugo Wolf an Rosa Mayreder liegen uns in gedruckter Form vor. Wolf arbeitete wie ein Besessener an dieser Oper – sicherlich in einer manischen Hochstimmung. Er verarbeitet sofort die von Mayreder in Stückwerk verfassten Verse und lässt kaum Korrekturvorschläge zu.

Im darauffolgenden Jahr gründet Rosa Mayreder gemeinsam mit der Malerin Olga Prager, Marianne Hainisch, dem Philosophen Friedrich Jodl und anderen den Verein "Kunstschule für Frauen und Mädchen", um eine bessere Kunstausbildung für Frauen zu ermöglichen. Die Novellen „Übergänge“ erscheinen. Rosa Mayreder schreibt unter dem männlichen Pseudonym „Franz Arnold“ Kunstberichte in der Neuen Freien Presse.
1899 gibt Rosa Mayreder gemeinsam mit Auguste Fickert und Marie Lang die Zeitschrift „Dokumente der Frauen“ heraus. Die Zeitschrift existiert bis 1902. Außerdem tritt sie dem Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien bei. 1899 erscheint ihr erster Roman „Idole“ bei Fischer in Berlin. 1903 tritt Rosa Mayreder aus dem Komitee des allgemeinen österreichischen Frauenvereines aus, ihr zweiter Roman „Pipin“ erscheint. 1904 ist sie mit einem ihrer Bilder bei der Weltausstellung in St. Louis vertreten. Die zweite außereheliche Beziehung mit Paul Kubin, einem Mann, der so gar nicht ihrem Wesen entspricht, wie sie später feststellt dauert bis 1909. Am 10. Juni 1909 schreibt Rosa Mayreder in ihr Tagebuch: “Morgen übersiedeln wir nach Purkersdorf. Ich habe den Eindruck, daß meine Leidenschaft für ihn völlig erloschen ist und er in die Reihe meiner anderen Freunde zurückgetreten ist. Ein leichter Widerwille, mit ihm zusammenzukommen, eine Empfindung des Unbehagens, wie nach einem Rausch, namentlich bei Erinnerungen – nichts mehr sonst.“

1905 erscheint ihr erster Essay-Band „Zur Kritik der Weiblichkeit“ (1. Teil) bei Diederichs. Dieser Band wird in heute als ihr eigentliches Hauptwerk angesehen. Die Fortsetzung erscheint erst Jahre später. Zwei Jahre später, 1907, gründen Rudolf Goldscheid, Wilhelm Jerusalem, Michael Hainisch, Max Adler u.a. die Soziologische Gesellschaft, in deren Ausschuss Rosa Mayreder als einzige Frau gewählt wird. Rosa Mayreder ist außerdem Mitbegründerin des Vereins zur Bekämpfung der Prostitution.

1908 erscheinen „Zwischen Himmel und Erde“ (Sonette) bei Diederichs

Im Jahr 1912 tritt erstmals die psychische Krankheit Karl Mayreders offen zutage; in den nächsten Jahren konsultiert Karl Mayreder 59 Ärzte, darunter auch Sigmund Freud, aber ohne Erfolg. Sigmund Freund ist der Meinung, dass Mayreder, selbst ein erfolgreicher Gelehrter an der Technischen Universität, die „Überfrau“ zwischen Anführungszeichen Rosa Mayreder nicht verkraften würde. Eine Diagnose, die Mayreder zunächst in den Wind schlägt. Erst Jahre später sieht sie diese Analyse bestätigt. In ihrem Tagebuch lesen wir am 5. Juli 1923: „’Ich habe einen Nekrolog verfaßt’, sagte Lino beim Frühstück. Und nach einer Pause setzte er hinzu: „Er trägt die Überschrift: der Gatte Rosa Mayreders gestorben.’ Zuerst lachte ich darüber; dann aber erblickte ich darin eine Bestätigung der Freudschen Ansichte, dass er unter meiner Persönlichkeit leide, weil sie seine männliche Prärogative unterdrücke.“ (Mayreder: 1988: 226) Ab 1915 setzt sich Rosa Mayreder für die internationale Frauenbewegung ein. Sechs Jahre später, 1921, wird der österreichische Zweig der internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit gegründet, dem Rosa Mayreder als Vizepräsidentin vorsteht. In diesem Jahr erscheinen die „Fabeleien für göttliche und menschliche Dinge“ bei Diederichs und „Die Frau und der Internationalismus“ bei Frisch und Co. in Leipzig.

1923 erscheint ihr zweiter Essay-Band „Geschlecht und Kultur“ wieder bei Diederichs. Dieser Band ist als Gegenschrift zu Otto Weiningers „Geschlecht und Charakter“ und als Fortsetzung zur „Zur Kritik der Weiblichkeit gedacht. 1928 wird sie Präsidentin der Mayreder Gruppe innerhalb der Frauenliga für Frieden und Freiheit. Im gleichen Jahr ehrt die Stadt Wien Rosa Mayreder . Sie wird zur "Ehrenbürgerin der Stadt Wien" gewählt, einige Zeit später erhält sie aber nur das "Bürgerdiplom", da sie sich offen zu ihrem jüdischen Großvater bekennt. (Juden war es nicht möglich eine Ehrenbürgerschaft zu erhalten. Auch die Theaterkritikerin und Anglistin Helene Richter sollte 1931 nur zur Bürgerin der Stadt Wien ernannt werden.) Ebenfalls aus Anlass des 70. Geburtstages von Mayreder gibt Käthe Braun-Prager, (Schriftstellerin, Malerin und Schwester von Felix Braun), Freundin und Herausgeberin der Werke von Rosa Mayreder eine Festschrift mit dem Titel „Der Aufstieg der Frau“ heraus, in der bedeutende Persönlichkeiten, wie Stefan Zweig, Lou Andreas-Salomé, Selma Lagerlöf, Eugenie Schwarzwald und Helene Stöcker u.a. gratulieren. Es handelt sich bei dieser Schrift weniger um eine Festschrift im akademischen Sinne. Es werden keine eigenständigen Aufsätze veröffentlicht, sondern Anekdoten, Geschichten und Gedichte zur Ehrung der Jubilarin. 1933 veröffentlicht Mayreder „Der letzte Gott“, diesmal bei Cotta in Stuttgart.

Ihren 75. Geburtstag feiert Mayreder ,wie es scheint, weit weniger opulent als den 70er. Die Feier in der „Internationalen Frauenliga“ werden erneut von Käthe Braun-Prager ausgerichtet. Diese Feierlichkeiten ehren vor allem Rosa Mayreders feministisches Engagement. Die Rede hält Prof. Elise Richter, ihres Zeichens die einzige habilitierte Frau der Monarchie und eine Wegbegleiterin in den letzten Jahren von Rosa Mayreder. Als Anekdote am Rand: Elise Richter weigerte sich an der Festschrift von 1928 mitzuwirken, mit der Begründung, sie kenne zu wenig die Schriften von Mayreder. Fünf Jahre später sollte sich das ändern.
1934 erscheint das Drama Anda Renata (weiblicher Faust) ein Mysterium in zwei Teilen und 12 Bildern bei Krey in Wien, an dem sie 20 Jahre gearbeitet hat. Dieses Werk sieht Mayreder als ihr eigentliches Lebenswerk an. Es ist laut Hilde Schmölzer jedoch ein sehr schwer zu lesendes Werk. (Warum Schmölzer meint, das Werk sei bei Cotta herausgekommen, ist nicht nachzuvollziehen.).

Die Jahre 1934 und 1935 sind Jahre des Verlustes. 1934 sterben Rudolf Goldscheidt und Marie Lang. 1935 stirbt Karl Mayreder. Es erscheinen „Gaben des Erlebens“, (Aphorismen) im Darmstädter Verlag. 1937 erscheinen als letzte Publikation „Aschmedais. Sonette an den Menschen“ im Privatdruck. Am 19. Januar 1938 stirbt Rosa Mayreder hochbetagt und hochverehrt in Wien; der literarische Nachlass geht an Käthe Braun-Prager, die schon bald nach England emigrieren muss. Posthum wurden einige Werke von Mayreder zum ersten Mal veröffentlicht oder neu aufgelegt. 1948 erscheint der erste Teil ihrer Erinnerungen mit dem Titel "Das Haus in der Landskrongasse", der zweite Teil "Mein Pantheon" wird erst zu ihrem 50. Todestag 1988 veröffentlicht. Im selben Jahr gibt Harriet Anderson die Tagebücher von Rosa Mayreder im Insel Verlag heraus. Einige Werke von Mayreder werden seit neustem im Mandelbaum-Verlag wieder aufgelegt. Außerdem zierte der Konterfei von Rosa Mayreder den letzten 500-Schilling Schein Österreichs. Dies sind eindeutige Zeichen für eine Mayreder Renaissance 55 Jahre nach ihrem Tode.

Thierry Elsen


Quellen: Tatjana Popovic. Nachlassverwalterin von Rosa Mayreder. www.rosa-mayreder.de
Schmölzer, Hilde: Rosa Mayreder. Ein Leben zwischen Utopie und Wirklichkeit. Promedia, 2002.
Ariadne – Projekt Frauenbewegung an der Österreichischen Nationalbibliothek. www.onb.ac.at/ariadne
Mayreder, Rosa: Tagebücher 1873-1937. Hrgbin: Harriet Anderson. Insel Verlag Frankfurt, 1988


Diese Biographie schrieb: Thierry Elsen (2003-11-30)

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