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Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein. Roman
Buchinformation

Die vorliegende Geschichte beruht auf wahren Ergebnissen. Zwischen 1940 und 1942, also während des Zweiten Weltkrieges, verteilte ein Berliner Arbeiter-Ehepaar Postkarten mit aufrührerischen Inhalten gegen Hitler. Der letzte Roman von Hans Fallada entstand in nur vier Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Nach rund 60 Jahren wurde "Jeder stirbt für sich allein" wiederentdeckt und führte Bestsellerlisten von New York bis Amsterdam, London oder Tel Aviv an. Ein Sensationsbestseller – in mehr als 30 Sprachen übersetzt!

Postkarten gegen das Verbrechen

Das Ehepaar Anna und Otto Quangel ist eine typisch deutsche Durchschnittsfamilie, beide so um die 50. Erst als sie ihren Sohn durch den Krieg verlieren, beginnen sie sich zu politisieren. Das Verfassen der Postkarten fällt ihnen leicht, schwieriger ist dann schon die Verteilung derselben. Insgesamt werden es dann 294 und 9 Briefe, von denen nur 18 (!) nicht bei der Gestapo abgeliefert werden. Aber wer daraus schließen möchte, dass der Widerstand sinnlos gewesen sein, weil nur wenige der Karten weitergereicht wurden, der irrt. Hans Fallada geborener Rudolf Ditzen (1893 Greifswald – 1947 Berlin) zeigt warum. Denn jeder noch so kleine Widerstandsakt brachte Sand in die Mühlen des Systems und trug dazu dabei, dass das Tausendjährige Reich nach nur 12 Jahren zusammenbrach. Und nicht zuletzt ging es ja auch darum, reinen Gewissens zu leben - und zu sterben. In einer beeindruckend authentischen Sprache schildert Fallada das Leben der einfachen Leute während eines Terrorregimes und zeigt, wie schwierig es war in einem durch Denunziation und Misstrauen gekennzeichneten Klima, als aufrechter Mensch zu leben. Und dennoch gelang es einigen. Das Ehepaar Quangel sind nur zwei Beispiele.

Widerstand: immer sinnvoll

Verblüffend ist aber nicht nur die authentische Sprache, sondern auch die Milieus, die Fallada zu schildern weiß. Einige Dialoge sind sogar in echtem Berlinerisch verfasst, etwa wenn der junge Ausreißer Kuno-Dieter Barkhausen seine neue Mutter kennenlernt. Denn Fallada schafft es auch - trotz der völlig trostlosen Zeit - Hoffnung zwischen seine Zeilen zu schmuggeln. Beeindruckend "echt" sind nicht nur Falladas Charaktere, die sich teilweise im sog. Milieu bewegen, sondern auch wie er das Gefängnisleben und die Justiz während des Dritten Reichs seziert. Selbst Kommissar Escherich, dem es schließlich gelingt, die Quangels festzunageln, leidet trotz seiner prinzipiellen Sympathie für das System unter diesem. Genau das ist aber auch das Kennzeichen jeder Diktatur: dass es jeden treffen kann, jeder Zeit. Willkürherrschaft eben. Aber was noch viel wichtiger ist, ist, das Hans Fallada zeigt, dass selbst der kleinste Widerstand sinnvoll ist. Allein was die Quangels im System der Verfolger mit ihrer an und für sich harmlosen Tat auslösen lohnt die Mühe schon. Denn jede Handlung zeitigt Konsequenzen, wie ein Schmetterling ein Gewitter auslösen kann. Widerstand ist nie sinnlos - so er berechtigte Ziele verfolgt. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Authentisch bis zur letzten Seite

Ein Roman, der einen sprachlos macht. Gleichzeitig aber das Netz, das eine Diktatur erst möglich mach t, gnadenlos entschlüsselt und sichtbar macht, wie perfide und gemein und gleichzeitig offen brutal das Regime funktionierte. Kurt Tucholsky prägte einmal den Satz "man kann gar nicht so viel essen wie man kotzen möchte" um Deutschland zwischen 1933 und 1945 zu beschreiben. Hans Fallada geht eigentlich sogar noch weiter, denn er legt - in einer rauen, intensiven, authentischen Sprache, schonungslos offen, was damals wirklich passierte. Die vorliegende Neuausgabe präsentiert Falladas letzten Roman in der ungekürzten Originalfassung. Ergänzt wird der Text durch ein Nachwort, Glossar und Dokumente wie Fotos und Faksimiles zum zeithistorischen Kontext, also Material zu den echten "Quangels". Erschütternd realistisch und wegweisend. Pflichtlektüre für Leser:innen, die sich mit der Tragweite der Ereignisse vor inzwischen 70 Jahren auseinandersetzen möchten. "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch." (Brecht) Zum 75. Todestag des Autors sind im Aufbau Verlag auch Neuauflagen seines Werks erschienen: "Der junge Goedeschal" (1928), "Kleiner Mann – was nun?" (1932), "Bauern, Bonzen und Bomben" (1931), "Wer einmal aus dem Blechnapf frißt" (1934), "Wolf unter Wölfen" (1937), "Der eiserne Gustav" (1938).


Hans Fallada
Jeder stirbt für sich allein.
Roman
2016, Taschenbuch, 704 Seiten
ISBN: 978-3-7466-2811-0
Aufbau Verlag
12,99 €

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2022-04-04)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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