Licht und Schatten treffen sich in „Joe’s Bar“. Hier kommen sie alle zusammen: Die Nachtschwärmer, schillernde Figuren,
Verlierer, Junkies, exzentrische Gestalten und auch das eine oder andere einsame Wesen. Der desillusionierte Ex-Polizist Alack Sinner (Gesamtausgabe ebenfalls bei Avant), die von Muñoz & Sampayo geschaffene Kunstfigur, ist Stammgast.
Joe's Bar: Gäste aus der Gosse
Die Stammkneipe des Auswurfs der Gesellschaft, Joe's Bar, wird zum Dreh- und Angelpunkt einer Vielzahl von Geschichten, die vor dem Hintergrund des sozialen Milieus New Yorks spielen: Kriminalität, Rassenprobleme, Immigration, Drogen, Liebe und sogar Mord. Auftragsmord. Im zweiten Teil spielen aber auch andere Bars der Welt eine Rolle, die den beiden argentinischen Autoren Carlos Sampayo und José Muñoz nicht ganz unbekannt sein dürften. Fünfzehn Jahre nach der letzten Folge, Anfang der 2000er Jahre, setzten die beiden mit fünf Geschichten mit dem Titel "In den Bars" in den unterschiedlichsten Städten der Welt fort. In Rückblenden verweisen sie zwar auf die Ereignisse der ersten Episoden zwischen 1978 und 1985, aber das 21. Jahrhundert hat schon Einzug gehalten. "In den Bars" werden die Spuren der Zeit sichtbar, schreibt Erwin Dejasse in seinem lesenswerten Nachwort. "Die Szenerien haben fabelhafte Anklänge, nicht mehr der Konflikt steht im Zentrum, sondern eine distanzierte Beobachtung, um ein eher impressionistisches Bild der Menschheit zu zeichnen", so Dejasse.
Vom Banalen zum Sublimen
Der oben angesprochene Auftragsmörder ist ein gemeiner Spießgeselle. Er schleicht sich erst in das Vertrauen seines Opfers ein, trinkt Daiquiris im Winter mit ihm, bestellt Nutten aufs Zimmer und raucht gern eine Zigarre mit ihm. Er schenkt ihm sogar seine Briefmarkensammlung, damit dieser ein schlechtes Gewissen bekommt und sich mit seinem Auto revanchieren will. Doch dann geschieht es. Unvermittelt. Unvermutet. Überraschend. Auch Frauen spielen bei Muñoz & Sampayo eine Rolle. In "Ella" wird eine Geschichte von Leroi Jones, in der ein Schwarzer und eine Weiße in einer U-Bahn sitzen, zum Ausgangspunkt einer verwirrenden Erzählung um den Selbstmord eines Ex-Boxchampions. In "Die Fünfte Geschichte" liest Mike im Schlafzimmer aus einem Buch mit dem Titel "Krankheit": "Viele glauben immer noch, dass Krebs durch mangelnde Leidenschaft entsteht...bei Menschen die ihre Sexualität oder ihre Wut unterdrücken." Natürlich sollte man das niemandem sagen, der daran erkrankt ist. "Schlulfreunde" handelt von einer Wiedervereinigung der anderen Art und in "Tenochtitlan" wird ein Film gedreht, der in das Jahr 1521 zurückführt. Dass nicht jede Diagnose richtig sein muss, zeigt "Die Bar".
Einfallsreichtum und viele Details
In der vorletzten Geschichte, "verstrahlt", wird der italienische Graffiti-Künstler Carlo Torrighelli geehrt. Sein Hauptsujet:"La Chiesa uccide con l'onda. Millioni di Morti anche in USA. C.T.". Aber neben den großen Geschichten geht es den Autoren vor allem um die Details, Geschichten die nicht erzählt werden, dafür aber gefühlt. Im Avant Verlag ist auch die Gesamtausgabe zu Alack Sinner von Muñoz & Sampayo erschienen.
Muñoz & Sampayo
Joe's Bar. Gesamtausgabe
Text: Carlos Sampayo
Zeichnungen: José Muñoz
Übersetzung aus dem Spanischen von Myriam Alfano
Mit einem Nachwort von Erwin Dejasse
2025, 336 Seiten, Hardcover, 19 x 26 cm, schwarzweiß
ISBN: 978-3-96445-134-7
Avant Verlag
40,00 €
[*] Diese Rezension schrieb: Juergen Weber (2025-06-26)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.
