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Literaturforum: Chinas große Romane


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 Thema: Chinas große Romane
ArnoAbendschoen
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 09.02.2011 um 09:56 Uhr

Feuerwerk und Buchdruck – China hat sie früher als das Abendland gekannt. China war über Jahrtausende eine dem Westen materiell und geistig überlegene Hochkultur. Zwei Zahlen, die den Hintergrund beleuchten können: 1820 waren 36% aller auf der Erde lebenden Menschen Chinesen und erwirtschafteten 32% des gesamten Weltbruttosozialprodukts. Dabei war das frühe 19. Jahrhundert schon eine Zeit des Niedergangs, der sich danach rasch beschleunigte. Chinas Glanzzeiten lagen länger zurück. In ihnen hat sich eine reiche Literatur entwickelt, die zu entdecken sich lohnt.

DIE RÄUBER VOM LIANG SCHAN MOOR ist der früheste der drei großen Romane, die unbedingt zum Kanon der Weltliteratur gehören. Sein Verfasser ist der im 13. Jahrhundert lebende Schi Nai An. Das Werk wurde bald zum Volksbuch, es spielt im frühen 12. Jahrhundert. Es ist die Geschichte des sehr erfolgreichen Rebellen Sung Kiang, seiner sechsunddreißig Häuptlinge und ihres immer mehr anschwellenden Anhangs. Vor dem Hintergrund von Korruption und Misswirtschaft errichteten sie in einem Sumpfgebiet der Provinz Schantung ein autonomes Räuberstaatswesen, das erst nach langer Zeit und nur durch Begnadigung seiner Mitglieder überwunden werden konnte. Wir haben es mit einer Fülle von sehr farbigen Einzelfiguren und äußerst spannenden Handlungssträngen zu tun. Sie nehmen jeweils von lokalen Missständen ihren Ausgang und münden alle in den Zusammenschluss der Räuber in einer unbezwingbaren Bergfeste im Moor. Karl May ist im Vergleich dazu ein unbedeutender und blasser Autor.

KIN PING MEH, vermutlich von Wang Schi Tschong, ist ein Werk des 16. Jahrhunderts und spielt ebenfalls im frühen 12. Jahrhundert. Es ist eine Familienchronik, die vor allem innerhalb des privaten Haushalts spielt. Hsi Men ist ein reicher Kaufmann, der sich sechs Frauen hält und durch seine Gier nach immer mehr Genuss sich und seinen Hausstand ruiniert. Wir erfahren viel übers damalige Wirtschaften, über Erotik und Intrigen in einem solchen Familienverband. Balzac erscheint uns nach der Lektüre wie ein später Nachfahre des Autors. Der Roman ist ein großartiges Sittengemälde und eine ergreifende bürgerliche Tragödie.

DER TRAUM DER ROTEN KAMMER ist das jüngste und modernste Werk innerhalb dieses literarischen Triumvirats. Ob Tsao Hsüe Kin (1719 – 1763) als alleiniger Verfasser anzusehen ist, soll hier nicht untersucht werden. Erschienen ist das Buch erstmals 1791 im Druck. Auch dies ist ein Familienroman, eine Art chinesische Buddenbrooks, im 18. Jahrhundert angesiedelt. Wir erleben wieder eine begüterte Großfamilie, ihre inneren Konflikte, ihren Verfall. Das Buch ist tief vom Geist des Taoismus geprägt und vor allem ein Werk des Protests gegen eine konfuzianisch ausgerichtete, hierarchische und patriarchalische Elite und ihren Umgang mit individuellen Regungen. Es ist ein großer Seelenroman, der auch noch bei modernen Europäern einen tiefen und nachhaltigen Eindruck hervorrufen kann. Es ist ein in seinem Detailreichtum und in seiner psychologisch-metaphysischen Tiefe unvergleichliches Werk.

Alle drei Riesenromane, jeder zwischen 800 und 900 Seiten stark, sind von Franz Kuhn ins Deutsche übertragen und im Insel Verlag erschienen.

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