1943Karl
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 15.03.2011 um 15:28 Uhr |
Eigentlich sind Zombies lebende Tote.
Vertieft sich allerdings der Leser in A.J. Weigonis Kurzgeschichtenband Zombies, glaubt er sich eher von toten Lebenden umgeben, die als willenlose Marionetten an Fäden von Hintermänner und –frauen zu hängen scheinen, um auf diversen gesellschaftlichen Kleinbühnen dem zu folgen, was Trendsetter, Politiker, Journalisten, Autoren, Regisseure und andere Puppenspieler von ihnen erwarten.
Der Autor, ob nun als Dompteur menschlicher Bestien oder als deren schlichter Beobachter unterwegs, führt den Leser durch einen nicht gerade abgesicherten Käfig, in dem menschliche Monster ihren Ängsten, Leidenschaften und Alltagsgrausamkeiten ausgeliefert sind.
Im Tonfall banal und unaufgeregt, regt Weigoni dennoch auf und findet je nach Inhalt der jeweiligen kurzen Erzählungen eine ureigene Sprache, die seine Figuren und deren Lebensumwelt äußerst zutreffend charakterisiert. Dabei schöpft er offenbar aus einem schier unglaublichen Vokabel-Repertiore eines Sprachgenies.
Seine bedauernswerten Gestalten stellt Weigoni durch grotesken und rabenschwarzen Humor als rettungslose Verlierer dar, die unaufhaltsam global apokalyptischen Niedergangsszenarien ausgeliefert zu sein scheinen. Angesichts der Reaktorkatastrophen im japanischen Fukushima kommen somit ein Teil dieser Szenarien den Realitäten erschreckend nah.
Er entwirft Identitätsverluste, stellt Geschlechtrerrollen in Frage und setzt unter anderem in der Erzählung „Werbeblock“ einem „Selbst- und Fremddarsteller“ und dessen „veraltetem Image den coolen Dandy entgegen, der sich vor dem Spiegel selbst entwirft. Ein in Würde gealtertes Symbol für galantes Machotum…“ Der verunsicherte Mann bleibt also auc bnicht verschont.
„Macht, was ihr wollt, aber macht es profitabel!“ Das ist offenbar „der Leitgedanke“, dem in der kapitalistischen Welt alle Figuren Weigonis mehr oder weniger offensichtlich folgen.
Auf eine abenteuerliche Reise „in popmoderner Grossraumprosa“, nimmt der Sprachjongleur seine Leser mit, lässt sie an vielen Stationen aussteigen und führt sie in deren Umgebung herum. Dabei macht er sie zu Voyeuren gewöhnlicher Obzönitäten, die er als Reiseführer in jedem Fall sprachlich ungewöhnlichst präsentiert.
Das Buch eignet sich weniger als entspannende Urlaubs- oder Feierabendlektüre, wohl aber als Lesestoff für gesellschaftskritische Realisten, die gern in Happen Bücher mit kurzen Erzählungen lesen und durchaus ahnen, dass Menschen nur bedingt aus ihrer Vergangenheit schlauer werden.
Beinahe hoffnungsvoll philosophisch und auffordernd endet das Buch mit der Feststellung: „Die Vergangenheit wird begehbar, ein Zurück ist kein Rückschritt. Ankunft ist ein Prozess, der nicht enden wird.“ Damit lässt Weigoni seine Leser dann doch nicht vollkommen hoffnungs- und orientierungslos im Chaos zurück.
A.J. Weigoni, Zombies, Verlage der Artisten, Edition Das Labor, Bad Mülheim, 2010, Paperback, 319 Seiten
Bei jedem Irrtum gewinnt die Wahrheit Zeit.
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