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Love all Animals

 
Husten, Schnupfen, Heiserkeit, läßt Kassen klingeln
Autor: Karsten Mekelburg · Rubrik:
Humor & Satire

Bist du krank,
so gibt es
einen, der Dank
sagt: Der Arzt.
Den der will
vom Geld - deinem!
möglichst viel.

"Guten Tag, ich bin Schwester Monika, Ihre persönliche Betreuerin für die Zeit während und nach dem Besuch in unserer Praxis. Auf meiner Karte finden Sie meine Telefonnummer, unter der ich Tag und Nacht für Sie mit einem Tarif von nur 0.57 Euro/min erreichbar bin und Ihnen mit Rat und Tat in allen Fragen zum Thema Gesundheit zur Verfügung stehe. Ja, 10 Euro Praxiseintritt bekomme ich bitte, da gibt es einen kleinen Stempel auf die Hand, für den Fall, dass Sie die Praxis einmal verlassen möchten. Dies wird allerdings kaum notwendig sein, da unsere Praxis alles an Annehmlichkeiten bietet, was das Herz begehrt. Der Stempel gilt bis morgen früh, acht Uhr. Falls Sie uns öfter aufsuchen wollen, zögern Sie nicht, unseren günstigen Frühbucherrabatt oder die Praxis50 Karte in Anspruch zu nehmen, um ordentlich Geld zu sparen! Genaueres über unsere Tarife erfahren Sie in diesem kleinen Faltblatt, das Sie für 15 Euro hier an der Kasse erwerben können."

"Schwester Monika, seit meinem letzten Besuch hier, scheint sich die Praxis aber mächtig verändert zu haben. Sind das da hinten nicht Spielautomaten? War da nicht früher das Wartezimmer?"

"Ihrer Kundenkarte entnehme ich, das sich schon länger nicht mehr beim Arzt waren. Das letzte Mal noch vor der ersten Gesundheitsreform durch die Regierung. Da haben Sie natürlich allerlei verpasst. Wir nennen diesen Raum dort hinten jetzt nicht mehr Wartezimmer, das kam uns zu altbacken vor. Jetzt bezeichnen wir ihn als Chill-Out Room und bieten den Kunden neben intensiver Betreuung und Musik auch allerlei Spiele, wie die Spielautomaten, die Sie dort sehen. Gerade von unseren Kunden mit kleinem Geldbeutel wird das sehr gerne in Anspruch genommen und unserer Praxis hilft es ja auch ein wenig, da wir mit 25% am Gewinn beteiligt sind. Sicher kommen damit keine Unsummen herein, aber aus geschäftlichen Gesichtspunkten schien es uns doch unangebracht, den Raum ungenutzt zu lassen.

Wie möchten Sie zahlen? American Express, Visa, Euro cheque, Dinners Club ... Ja, American Express, Senator Card, da werden Sie sicher nicht zu den Automaten wollen. Die VIP Lounge befindet sich im ersten Stock mit schönem Blick auf den Park, ein gesonderter Wellnessbereich steht dort oben ebenfalls zu Ihrer Verfügung, also Massage, Sauna, Whirlpool, das Übliche eben. Unsere Praxis würde Ihnen einen Kredit von 20.000 Euro an all unseren Spieltischen gewähren, die Sie in unserem Casino nebenan finden können. Wir bieten alles, was das Herz des verwöhnten Spielers höher schlagen lässt. Zwei Bakkarattische, ein Roulette und ein Black-Jack mit Einsätzen in beliebiger Höhe. Sollte Sie der Hunger plagen, so empfehle ich unser Praxisrestaurant, eins der wenigen, das der Guide Michelin mit zwei Sternen ausgezeichnet hat. Diese Woche ist Martin Schlienger zu Gast, der berühmte Ecoffier Schüler, der mit Dia- und Trialogen von Fleisch und Fisch unseren Kunden hier neue gastronomische Horizonte eröffnen möchte."

"Aber woher weiß der Doktor, wann er mich behandeln soll?" "Der Doktor wird sich dabei ganz nach Ihnen richten. Wenn Sie einem Moment Zeit erübrigen könne, schauen Sie doch einfach mal bei ihm vorbei. Er wird sich dann sofort um Sie kümmern."

"Ich hätte dann gerne meine Karte zurück." "Sie sollten erwägen, unseren Service des bargeldlosen Zahlens in Anspruch zu nehmen. Die Karte bleibt stecken und Sie erhalten in allen Geschäften unserer Praxis, was Sie wollen, ohne lästigen Geldverkehr. Alle Geschäfte sind elektronisch mit diesem Hauptterminal verbunden. Einkaufen ohne Reue, ein neues Konzept, das wir gerade sehr erfolgreich eingeführt haben."

Jetzt sah ich es auch. Überall schreiende Reklame. "Pillen-Frisch, die frischesten Pillen", "Naturkost, ayuverische Bananen, erste Tür links", "Tut Buße und ändert euer sündiges Leben! Jetzt! Hier! Erste Tür rechts. Altes und Neues Testament zu sensationellen Tiefpreisen", "Zigarren Grimm, frische Havanna, Direktimport aus Kuba, soeben eingetroffen", "Grabpflege, Edle Steine, Kunstsärge, tritt ein, bevor es zu spät ist. Keller hinten". Hier hatte man für alles Sorge getragen.

"Unser Konzept ist die Rundum-Versorgung unserer Kunden. Für den Aufenthalt in unserer Praxis dürfen wir Ihnen weiterhin 5 Euro/min berechnen. Eine Lappalie, sicherlich. Für Sie als Erstbesucher gibt es besonders günstige Konditionen und einen Rabatt von 20% auf die ersten zehn Besuche. Informieren Sie sich auch über die günstige Praxis50 Karte, die von Mehrfachnutzern gern in Anspruch genommen wird."

"Ich würde dann gern zum Arzt." "Er erwartet Sie bereits." "Guten Tag, Herr Doktor." "Guten Tag, Herr Lehmann. Diese Praxis wird heute gesponsert von Kübelwasser, das Bier aus den Tiefen der Natur. Kübelwasser, das magische Nass für Gewinner." Mir blieb den Mund offen stehen, Kübelwasser? "Herr Lehmann, bitte wundern Sie sich nicht. Den ersten Satz an meine Patienten lasse ich über meine Vermarktungsfirma an den jeweils Meistbietenden verkaufen. Ist ein hübscher kleiner Nebenverdienst."

Als ich den Doktor genauster ansah, fiel mir der Unterschied zu früheren Besuchen aus. Jeder Millimeter seines Kittels, seiner Instrumente, ja selbst die Wände und Decken war mit Werbung bepflastert. Auf dem Kittel prangte neben Motorola Werbung für den neusten Pentium Chip und Biersorten, von denen ich mein Leben lang noch nichts gehört hatte. "Können Sie alles gut lesen? Ich kann auch mal aufstehen und mich langsam vor Ihnen drehen. Sie sind wahrscheinlich gerade bei den Biersorten. Die meisten Männer bleiben bei denen hängen. Das sind hiesige, die werden Sie aus der Fernsehwerbung nicht kennen. Wir sind hier in der Gemeinde außerordentlich sozial engagiert und haben uns entschlossen, der lokalen Wirtschaft auch eine Chance zu geben, obwohl sie unsere Werbegebühren eigentlich nicht zahlen kann."

"Gehört der rote Porsche da draußen Ihnen?" "Herr Lehmann, was denken Sie, was so eine Praxis einbringt? Sie scheinen mir da nur sehr grobe Vorstellungen zu haben. Ein Porsche, also ich bitte Sie! Das ist der Wagen von Schwester Monika. Wir sind seit dem Jahresanfang ein börsennotiertes Unternehmen.

Wo drückt denn bei Ihnen der Schuh? Erzählen Sie mir bitte von all Ihren gesundheitlichen Problemen, aber überstürzen Sie dabei nichts. Nichts vergessen und nichts auslassen, das kleinste Detail könnte von entscheidender Bedeutung sein. Ich habe Ihren Kontostand als kleine Übersicht hier eingeblendet und werde Ihnen rechtzeitig Bescheid sagen, wenn es knapp werden sollte."

Nachdem ich meine Krankheiten heruntergehaspelt hatte, zog der Doktor ein ernstes Gesicht. "In Anbetracht Ihres schnell schrumpfenden Kontos möchte ich Sie nicht erst zur Tomographie schicken, sondern eine Schnelldiagnose wagen. Ich tippe auf Westermannsche Wassersucht, das genauer zu untersuchen, können wir uns jetzt nicht mehr leisten. Ziemlich selten. Wer weiß, vielleicht liege ich auch daneben. Kriegen wir jetzt auf die Schnelle eh' nicht 'raus. Aber Sie haben Glück im Unglück. Wir haben gerade eine umfangreiche Testreihe einer renommierten Pharmafirma zu dieser Krankheit bei uns laufen. Sie bekommen Medikamente zum Einstiegspreis. Ja, Sie haben richtig gehört, zum Einstiegspreis! Solch ein Schnäppchen dürfen Sie sich nicht entgehen lassen! Zumal auch nur die mittelfristige Behandlung der Wassersucht sogar Sie finanziell überfordern dürfte. Oder kommen Sie irgendwo billig und schnell an einen größeren Kredit? Haben Sie noch zwei Nieren und möchten Sie eine verkaufen, wir könnten Ihnen im Moment sehr günstige Konditionen bieten. Sehr lukrativ und eine tut es ja letztlich auch." "Nun, sehen Sie, da ist diese Versuchsreihe Ihrer Rettung. Wenn Sie dann hier noch unterschreiben würden, dass Sie im Falle Ihres Ablebens Ihren Körper der Wissenschaft zur Verfügung stellen. Ist natürlich eine reine Formalität diese Unterschrift."

Ein Schrei. Ich schreckte hoch, schweißgebadet, angstgepeinigt. Ein Traum, nur ein böser Traum. Gott sei Dank gibt es noch jemanden, der hoch über der Sonne und sogar noch über Gott thront und über uns alle wacht. Unsere gute Regierung, die jeden einzelnen Bürger liebt wie ihr Kind, würde niemals zulassen, dass die Medizin zum Tummelplatz des Kommerzes wird und sieht mir Argusaugen darauf, dass Gesundheit für jeden bezahlbar bleibt.




Einstell-Datum: 2004-04-13

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

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