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Archiv klassischer Werke


 
An die Stille
Friedrich Hölderlin
Dort im waldumkränzten Schattentale
Schlürft' ich, schlummernd unter'm Rosenstrauch
Trunkenheit aus deiner Götterschaale,
Angeweht von deinem Liebeshauch.
Sieh' es brent an deines Jünglings Wange
Heiß und glühend noch Begeisterung
Voll ist mir das Herz vom Lobgesange,
Und der Fittig heischet Adlerschwung.

Stieg ich künen Sinns zum Hades nieder
Wo kein Sterblicher dich noch ersah,
Schwänge sich das mutige Gefieder
Zum Orion auf, so wär'st du da;
Wie ins weite Meer die Ströme gleiten
Stürzen dir die Zeiten alle zu
In dem Schoos der alten Ewigkeiten,
In des Chaos Tiefen wohntest du.

In der Wüste dürrem Schrekgefilde,
Wo der Hungertod des Wallers harrt,
In der Stürme Land, wo schwarz und wilde
Das Gebirg' im kalten Panzer starrt,
In der Sommernacht, in Morgenlüften,
In den Hainen weht dein Schwestergruß,
Über schauerlichen Schlummergrüften
Stärkt die Lieblinge dein Götterkuß.

Ruhe fächelst du der Heldenseele
In der Halle, wann die Schlacht beginnt,
Hauchst Begeist'rung in der Felsenhöhle,
Wo um Mitternacht der Denker sinnt,
Schlummer träuf'st du auf die düstre Zelle,
Daß der Dulder seines Grams vergißt,
Lächelst traulich aus der Schattenquelle,
Wo den ersten Kuß das Mädchen küßt.

Ha! dir träuft die wonnetrunkne Zähre
Und Entzükung strömt in mein Gebein
Millionen bauen dir Altäre
Zürne nicht! auch dieses Herz ist dein!
Dort im Thale will ich Wonne trinken
Wiederkehren in die Schattenkluft,
Bis der Göttin Arme trauter winken,
Bis die Braut zum stillen Bunde ruft.

Keine Lauscher nah'n der Schlummerstätte,
Kül und schattig ists im Leichentuch,
Abgeschüttelt ist die Sclavenkette,
Maigesäusel wird Gewitterfluch;
Schöner rauscht die träge Fluth der Zeiten,
Rings umdüstert von der Sorgen Schwarm;
Wie ein Traum verfliegen Ewigkeiten
Schläft der Jüngling seiner Braut im Arm.


versalia.de empfiehlt folgendes Buch:
Hölderlin, Friedrich - Hyperion. Oder der Eremit in Griechenland.



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