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Literaturforum: Christine Lavant


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Forum > Literaturgeschichte & -theorie > Christine Lavant
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 Thema: Christine Lavant
woyzeck
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 25.03.2006 um 02:22 Uhr

Aus: Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus.

Ach, wie sie immer wieder etwas von diesem Gesicht erwarten können! Das leiseste Zeichen des Erkennens, ein Lächeln, den Abglanz eines früheren Lächelns vielleicht nur, oder einen veränderten Ton in ihrem Wimmern. Aber es geschieht und verändert sich nichts. Leise und hoch schneidet der ewig gleiche Ton in fast wie berechnet wirkenden Abständen durch den Saal, man denkt immer wieder an eine junge Katze in Dornen dabei. Wie oft mag das Herz dieser Mutter schon durchbohrt worden sein?! Nein, ihr Gesicht kenne ich nicht und will es nie kennen. . .

. . . Wie Christus über das Wasser, geht diese Mutter in der Gegenwart ihres Sohnes über das Meer ihres Irrsinns. Und er glaubt ihr. Er fürchtet keine Sekunde, daß sie plötzlich wieder einbrechen könnte. Und sie bricht nicht ein. Nie bricht sie früher ein, als bis sich die letzte Türe des Irrenhauses hinter dem Sohn geschlossen hat, dann aber wird es furchtbar. Es ist, als ob sich eine ganze Hölle rächen wollte, daß sie für eine Stunde aus ihrem Eigentum verwiesen worden war. Aber das kann man mit Worten nimmer sagen, das ist fast noch schlimmer als der Anblick der Gekreuzigten. . .

. . . Und ich hatte mir eben vorher noch vorgenommen gehabt, alle, auch diese, zu lieben, und nun kam es dahin, daß ich ihr den erdenklich größten Schmerz hätte zufügen mögen. Irgend welche Anfälle stehen mir leider nicht zur Verfügung, sonst hätte ich es leicht gehabt, alles auf eine geläufige Art zu unterbrechen, die Zwangsjacke schreckte mich nicht. Aber Verstellung ist hier so schwer, viel schwerer als anderswo, man stößt hier ja gleich auf alle die echten Ausbrüche wie auf lauter Gegner und müßte dazu schon sehr geübt und sehr stark innen sein. Beides bin ich nun nicht, und da hatte ich es schwer. Nun, nun, nur nicht weinen, ... Buddha mag zwar hart und durchsichtig wie der edelste Stein sein, aber an irgendeiner Stelle wird auch an ihm noch so etwas wie Gnade oder Vergebung herrschen. Wenn alles Ursache und Wirkung ist, dann liegt darin allein schon wenn auch nicht Vergebung, so doch Berechtigung. Und Ursachen waren da, waren in dem durch den Wald gehenden Herrgott, der sich in einem Irrenhaus ansingen ließ.


Biographie

1915 4. Juli als 9. Kind des Bergarbeiters Georg Thonhauser und seiner Frau Anna in Groß-Edling bei St. Stefan im Lavanttal/Kärnten geboren.

Mit 5 Wochen Skrofeln auf Brust, Hals und im Gesicht, dadurch fast erblindet, verträgt kein Licht und kann nur im Dunkeln spielen.

1918 Erste Lungenentzündung (später nahezu jedes Jahr)

1919 Krankenhausaufenthalt, als nicht mehr lebensfähig angesehen

1921 Beginn der Volksschule in St. Stefan

1924 Aufenthalt im Krankenhaus Klagenfurt bei Prim. Dr. Purtscher, mit dem sie später eine enge Freundschaft verbindet. Besserung des Augenleidens. Nach der Entlassung geht sie zu Fuß 60 km von Klagenfurt nach Wolfsberg (mit Goethes Werken im Rucksack als Geschenk von Purtscher).

1927 Lungentuberkulose und Verschlimmerung der Skrofulose. Da dem Kind vom Arzt Dr. Man nur noch eine Lebenserwartung von einem Jahr zugebilligt wird, riskiert der Arzt eine starke Röntgenbestrahlung. Erfolg: Skrofeln und Tuberkulose geheilt.

Laut Aussage der Geschwister Versuch eines ersten Romans: Beschreibung einer Seelenwanderung.

1929 Ende der Volksschule. Hauptschule mußte abgebrochen werden, weil der Weg zu lang war.

Ab dieser Zeit lebt sie zu Hause, ohne einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen.

Beschäftigung: kleine häusliche Arbeiten, Malen, Schreiben, Lesen; sie beginnt zu stricken - dies wird ihr späterer Broterwerb.

1930 Eine Mittelohrentzündung wird übersehen: sie ist an einem Ohr fast taub.

1931 Bekanntschaft mit Frau Lintschnig, St. Stefan, einer ihrer treuesten Freundinnen.

Arbeit an Hinterglasmalereien, es entstehen viele Aquarelle, die sie später verschenkt.

Schwere Depressionen; da alle Geschwister von zu Hause fort sind, bleibt sie allein bei den Eltern.

1932 Wieder Augenbehandlung bei Dr. Purtscher.

Christine Thonhauser sendet einen Roman (Titel unbekannt) an den Leykam-Verlag, Graz. Trotz positiver erster Reaktion des Verlags kommt eine endgültige Absage. Dies führt zur Vernichtung von allem bisher Geschriebenen und zum Aufgeben des Schreibens. Über die frühen Arbeiten spricht sie nie mehr, erwähnt nur soviel, daß sie sich viel an Technik erworben habe.

1933 Nach schweren Depressionen auf eigenen Wunsch Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt in Klagenfurt, um Klarheit über ihre Zustände zu bekommen.

1937 Lernt ihren späteren Mann, den Kunstmaler Josef B. Habernig, kennen, den sie beim Malen auf der Straße anspricht.

Tod des Vaters.

1938 Tod der Mutter. Christine Thonhauser muß die Wohnung verlassen, wird zuerst von den Geschwistern finanziell unterstützt und verdient sich dann ihren Unterhalt durch Strickarbeiten.

1939 Heirat mit dem um 30 Jahre älteren Josef Habernig (aus Sorge um den alternden Mann).

1940 Knut Hamsuns "Letztes Kapitel" hinterläßt einen großen Eindruck. In den folgenden Jahren Beschäftigung mit religiöser, mystischer, philosophischer und okkulter Literatur.

1945 Stößt auf Späte Gedichte von Rilke, die sie immer wieder liest. Beginnt selbst wieder zu schreiben, ist jedoch nicht von sich überzeugt. Sendet ihre Gedichte an Familie Purtscher, die davon sehr beeindruckt ist und die Gedichte an Paula Grogger weitergibt. Dort ist gerade der Stuttgarter Verleger Viktor Kubczak zu Gast. Es kommt zu einem Zusammentreffen mit ihm bei Paula Grogger.

1948 Unter dem Namen Christine Lavant (nach ihrer Heimat) erscheint in Kubczaks neugegründetem Brentano Verlag in Stuttgart ein Bürstenabzug der Gedichte "Die Nacht an den Tag", der aber verlorengeht. Der Verleger rät ihr, Prosa zu schreiben.

"Das Kind", Erzählung, Stuttgart, Brentano Verlag.

1949 "Das Krüglein", Erzählung, Stuttgart, Brentano Verlag. "Die unvollendete Liebe", Gedichte, ebenda.


1950 Dichterlesung in St. Veit an der Glan (St. Veiter Kulturtage) wird für Lavant zu einem großen persönlichen Erfolg. Hier lernt sie den Maler Werner Berg kennen, mit dem sie eine jahrelange enge Freundschaft verbindet. Es entstehen seine Holzschnitte, Ölbilder und Portraits der Dichterin. Freundschaft mit der Familie des Komponisten Gerhard Lampersberg.

Lavant übersiedelt in das Haus ihrer Freundin, Frau Lintschnig, wo sie mit Ausnahme einer 1 1/2 jährigen Unterbrechung bis zum Tode wohnt.

1952 "Baruscha", Erzählungen (außer der Titelerzählung noch "Die goldene Braue", "Der Messer-Mooth"), Graz, Leykam.

1954 Verleihung des Trakl-Preises (gemeinsam mit Christine Busta). Freundschaft mit Ludwig von Ficker.

1956 "Die Bettlerschale", Gedichte, Salzburg, Otto Müller.

Staatlicher Förderungspreis für Lyrik. Lyrik-Preis der "Neuen deutschen Hefte".

"Die Rosenkugel", Erzählung, Stuttgart, Brentano Verlag.

1957 Reise nach Istanbul, trotz vieler Schwierigkeiten großer Eindruck.

1959 "Spindel im Mond", Gedichte, Salzburg, Otto Müller.

1960 "Sonnenvogel", Gedichte, Wülfrath, Horst Heiderhoff.

1961 Staatlicher Förderungspreis für Lyrik

"Wirf ab den Lehm", Gedichte und Erzählungen, hrsg. v. Wieland Schmied, Graz, Stiasny.

1962 "Der Pfauenschrei", Gedichte, Salzburg, Otto Müller.

13 Gedichte in "Lyrische Hefte", Nr. 11, hrsg. v. Arnfried Astel, Heidelberg.

1963 Josef Habernig erleidet einen Schlaganfall; Nervenzusammenbruch Christine Lavants - Krankenheimaufenthalt in Klagenfurt. Freundschaft mit Prim. Dr. Otto Scrinzi.

1964 Trakl-Preis. Anton Wildgans-Preis.

1966 Übersiedlung nach Klagenfurt in ein Hochhaus.

1967 "Hälfte des Herzens", Gedichte, Darmstadt, Bläschke.

1968 Rückkehr nach St. Stefan nach einem Krankenheimaufenthalt in Wolfsberg.

1969 "Nell", Erzählungen (außer der Titelerzählung noch "Maria Katharina", "Rosa Berchtold", "Der Knabe"), hrsg. (ohne Nennung) v. Jeannie Ebner, Salzburg, Otto Müller. Die Erzählungen stammen noch aus den frühen fünfziger Jahren.

1970 Großer österreichischer Staatspreis für Literatur. Aufenthalt im Krankenheim Wolfsberg.

1972 "Gedichte" (aus "Bettlerschale", "Spindel im Mond", "Pfauenschrei"), hrsg. v. Grete Lübbe-Grothues, München, Deutscher Taschenbuch Verlag. Aufenthalt im Krankenheim Wolfsberg.

1973 7. Juni Tod Christine Lavants im Landeskrankenhaus Wolfsberg nach einem Schlaganfall.

1974 Veröffentlichung von 26 Briefen an den Rechtsanwalt Gerhard Deesen, der die Autorin finanziell unterstützt hatte, in Ensemble. Internat. Jahrbuch für Literatur 5 (1974).

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hwg
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seit dem 19.02.2006

Das ist hwg

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1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 25.03.2006 um 08:01 Uhr

Es ist erfreulich, dass hier auf diese großartige Dichterin hingewiesen wird.
Ich habe "die" Lavant persönlich kennen gelernt und bin von ihrer für mich schwer
beschreibbaren Ausstrahlung tief beeindruckt gewesen. Lavants Werk gehört zum unverwüstlichen Bestand unseres literarischen Schatzes.

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