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Literaturforum: Was sie auf Twitter schreiben


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Forum > Medienkritik & Kommunikation > Was sie auf Twitter schreiben
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 Thema: Was sie auf Twitter schreiben
Kenon
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seit dem 02.07.2001

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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 05.11.2021 um 09:50 Uhr

Das ist wirklich die faulste Art des heutigen Journalismus: Die wahllose (oder schlimmer noch: die mit politischer Schlagseite vorgenommene selektive) Wiedergabe von Twitter-Kommentaren zu aktuellen Themen von irgendwelchen Nutzern, die oft anonym unterwegs sind und ein trauriges Troll-Dasein führen. So wird Netz-Hass, wie ihn Wolfgang Thierse im Frühjahr erfuhr und nun Dieter Hallervorden erfährt, geadelt, so werden seine Inhalte zu scheinbar harten Fakten gemacht. Repräsentativ ist das alles nicht, es sind nur Stichproben, die jeder, der will, direkt Twitter, dieser Schlangengrube, entnehmen kann.

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ArnoAbendschoen
Mitglied

718 Forenbeiträge
seit dem 02.05.2010

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1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 05.11.2021 um 14:43 Uhr

Das ist schon richtig, nur ist die Problematik noch etwas verzwickter. Twitter ist eben nicht bloß Schlangengrube, sondern wird auch stark von seriösen, kompetenten Leuten zur Propagierung von Ernstzunehmendem genutzt, zusätzlich zu anderen Kanälen. Dabei eignen sich viele Problematiken gar nicht für einen Kurznachrichtendienst. HIer wird im Dienst eigener Popularität eine ungeeignete Bühne bespielt und damit erst aufgewertet. Was du an journalistischer Praxis zu Recht kritisierst, ist nur der logische zweite Schritt in einem Prozess der Einebnung unterschiedlicher Standards der Argumentationshöhe.

Etwas Ähnliches lässt sich z.B. beim Deutschlandfunk beobachten. Um in dessen Nachrichten zu kommen, genügt es, dass ein zweit- oder drittrangiger Poltiker oder Verbandsfunktionär ein kurzes Statement in einem DLF-Interview abgegeben hat. Das ist dem Sender, geht man nach der zahlenmäßigen Häufigkeit, ebenso wichtig wie harte Fakten und echte Nachrichten.

Das alles berührt auch dein zweites Thema hier: "Schreiben und reden". Nicht jeder, der Wind macht, ist inkompetent. Viele unterwerfen sich nur den Gesetzen des Windmachens und richten dadurch großen Schaden an. Sie lähmen, indem sie die Nähe zu Unqualifiziertem nicht meiden, das allgemeine Unterscheidungsvermögen und unterminieren damit die Diskussionskultur.

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Kenon
Mitglied

1482 Forenbeiträge
seit dem 02.07.2001

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2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 08.11.2021 um 11:11 Uhr

Sicherlich, Twitter ist nicht nur eine Schlangengrube, es schreiben dort auch viele kluge Menschen in angemessenem Ton über Themen, die von traditionellen Medien gern vernachlässigt oder erst viel später behandelt werden. Zu den positiven Seiten der Plattform gehört gewiss auch, dass man relativ einfach mit Menschen wie Schriftstellern, Gelehrten, Journalisten und Politikern in Kontakt kommen kann; das war in früheren Zeiten sicherlich aufwändiger, fand dafür aber nicht immer gleich öffentlich statt. Schwierig finde ich auf jeden Fall, wie Algorithmen der Plattform bestimmen, welche Inhalte ich vorrangig zu sehen bekomme – da wird man fast zwangsläufig in die eine oder andere aktive Dauerempörungsblase getrieben und vielleicht sogar dazu animiert, sich ebenfalls über dies oder das zu empören. Wenn ich einen Tweet nicht abschicke und wieder lösche, ist das für mich meist die bessere persönliche Entscheidung; noch besser ist es natürlich, einen Tweet gar nicht erst zu schreiben.

Zitat:

Nicht jeder, der Wind macht, ist inkompetent. Viele unterwerfen sich nur den Gesetzen des Windmachens und richten dadurch großen Schaden an.

Das will ich auch nicht bestreiten. Lautstärke muss Kompetenz selbstverständlich nicht ausschließen, es geht mir aber in meinem anderen Text gar nicht so sehr um Lautstärke sondern eher um Redegewandtheit an sich. Ich habe recht früh im Berufsleben gesehen, dass es einen gewissen Menschentypus gibt, der selbst über wenig fachliche Kenntnisse verfügt und das dadurch wettmachen möchte, indem er andere, die über reichliche fachliche Kenntnisse verfügen, für sich einspannt, praktisch sich als Kutscher Pferde sucht, die ihn durch das Leben ziehen und im ärgsten Fall die Leistung vor anderen noch als seine ausgibt. Hauptmittel dieser Art Herrschaft ist in meinen Augen die geschickte Rede.

Ich wurde kürzlich auf dieses Zitat, das mir ausgesprochen gut gefällt, hingewiesen – da geht es noch mehr um Hierarchie, Chefs, Oberhäupter irgendwovon:

Zitat:

“The major problem—one of the major problems, for there are several—one of the many major problems with governing people is that of whom you get to do it; or rather of who manages to get people to let them do it to them.
To summarize: it is a well-known fact that those people who must want to rule people are, ipso facto, those least suited to do it.
To summarize the summary: anyone who is capable of getting themselves made President should on no account be allowed to do the job.”
― Douglas Adams, The Restaurant at the End of the Universe

Ich bin kein Freund von Science Fiction, aber wie man sieht, können auch in diesem Genre durchaus kluge Gedanken geäußert werden.

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