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Literaturforum: Literaturnobelpreis 2004


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Forum > Sonstiges > Literaturnobelpreis 2004
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 Thema: Literaturnobelpreis 2004
Kenon
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 08.10.2004 um 10:59 Uhr

Die Österreicherin Elfriede Jelinek ist die zehnte Frau, die seit Stiftung des Literaturnobelpreises 1901 mit selbigem ausgezeichnet wurde. Bekannt ist sie mit ihren Romanen «Die Klavierspielerin» und «Lust» sowie dem Theaterstück «Raststätte oder sie machen´s alle» geworden. Ich kenne noch keines ihrer Werke, ihre Titel schrecken mich jedoch ob ihres Gossenniveaus schon jetzt ein wenig ab.

Über den Sinn des Literaturnobelpreises an sich kann man streiten, er ist aber wohl doch eine schöne Sache, um dem Massenpublikum auch mal einen wahrscheinlich anspruchsvolleren Schriftsteller näherzubringen. Und obwohl ich die Jelinek nicht kenne, der 1989 verstorbene Österreicher Thomas Bernhard hätte den Preis sicher besser verdient gehabt.

In den Weltkriegsjahren wurde der Nobelpreis nicht verliehen; wir kommen aber trotzdem auf ein ungefähres Verhältnis von 10:1 Schriftstellern zu Schriftstellerinnen. Woran liegt das? Ist das geschlechtliche Ungerechtigkeit, Bevorzugung des Mannes? Nein, es ist nur die geschlechtliche Ungleichheit. Die Denkstrukturen von Frauen sind ganz anders als die von Männern, daher können sie auch nur ganz anders schreiben. Schauen wir uns z.B. die als größte deutsche Dichterin bezeichnete Else Lasker-Schüler an: Sie hat nur ein einziges großartiges Gedicht geschrieben, nämlich Weltenende. Der Rest ist honigsüßes Frauengesäusel.

In der Süddeutschen Zeitung findet sich übrigens ein etwas lesenswerterer Artikel zur Nobelpreisvergabe als dieser hier.

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Kenon
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1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 10.10.2004 um 00:51 Uhr

Die Netzseite der Frau Jelinek ist:

http://ourworld.compuserve.com/homepages/elfriede/

Ein durchaus grässlicher Stil.

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Jasmin
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2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 04.12.2004 um 12:31 Uhr

Diese Nachricht wurde von Jasminmeer um 12:06:34 am 05.12.2004 editiert

Diese Nachricht wurde von Jasminmeer um 04:12:47 am 05.12.2004 editiert

Ich finde es interessant, dass dich Jelineks Romane aufgrund des angeblichen „Gossenniveaus“ ihrer Titel abgeschreckt haben. Ich habe vor ein paar Jahren die „Klavierspielerin“ gelesen. Die „Liebhaberinnen“ und die „Gier“ habe ich mehrfach angefangen und wieder abgebrochen. Nicht wegen des angeblichen „Gossenniveaus“ der Jelinekschen Sprache, nein, vielmehr weil diese sehr begabte Schriftstellerin sich für mich sehr kalt anfühlt. Sie seziert Menschen, Situationen, gesellschaftliche Strukturen mit sprachlich-chirurgischer Präzision. Diabolisch explizit und gemein. Lieblos, entseelt. Da ist keine Liebe zu spüren für den Menschen, stattdessen Misanthropie in puristisch-absoluter Form. Vielleicht ist der Vatikan deshalb nicht so erfreut gewesen ob dieser Nobelpreisverkündung…


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Annemarie
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3. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 06.12.2004 um 14:03 Uhr

Manchmal gibt es für die Unglaublichkeiten, die Menschen aneinander antun, nur ein bestimmte Sprache und Ausdrucksweise.
Elfriede Jelinik benutzt m.E. diese kalte Distanziert ganz bewusst als stilistisches Mittel. Ich habe die Klavierspielerin gelesen, und da in diesem Buch ja sehr viel Autobiographisches verarabeitet wurde (z.B. die Beziehung zur Mutter) ist E.J. vielleicht auch gar nicht in der Lage, anders darüber zu schreiben. Hätte sie die Geschichte mit "mehr Herz" geschrieben, wäre es nicht diese Geschichte geworden. Nicht unähnlich einem traumatisierten Menschen, den man, wenn man als Therapeut arbeitet, eine Bühne erfinden lässt, auf der das geschehen darf, was erlebt wurde und nicht direkt konfrontiert werden kann, schafft sich E.J. diese Bühne in Form eines Buches. - Ist jedenfalls meine Meinung, und ich denke, daß sich sehr viele Schriftsteller "dieser Bühne" bedienen.

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Uve Eichler
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4. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 06.12.2004 um 18:27 Uhr

Hallo Annemarie,

du schreibst:

---schafft sich E.J. diese Bühne in Form eines Buches. - Ist jedenfalls meine Meinung, und ich denke, daß sich sehr viele Schriftsteller "dieser Bühne" bedienen. ---

Ist denn nicht das Buch die Bühne eines Schriftstellers ?


Liebe Grüße
Uve


Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich darin nur zurechtfinden.
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Jasmin
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5. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 06.12.2004 um 22:24 Uhr

Zitat:

Manchmal gibt es für die Unglaublichkeiten, die Menschen aneinander antun, nur ein bestimmte Sprache und Ausdrucksweise.

Ja, das mag stimmen. Bei der Jelinek ist es aber so, dass sie ihre ganz eigene, individuelle Sprache hat. Und die ist so extrem, so krass, dass es einen manchmal schaudert. Dennoch ist diese Sprache genial. Oder gerade deshalb. Das eiskalt Sezierende muss man ja nicht unbedingt negativ auffassen. Ein Chirurg muss beim Operieren auch schneiden und sezieren. Manchmal ist gerade das angebracht. Letzten Endes ist es Geschmackssache. Ich habe die „Klavierspielerin“ gerne gelesen, habe oft über die gelungenen Zynismen und Manierismen lächeln müssen. Dennoch habe ich die Empfindung gehabt, hier schreibt ein Mensch, der aus seiner Verzweiflung alles Lebendige in sich hat abtöten müssen, um überhaupt seelisch überleben zu können. Die „Klavierspielerin“ ist eine tragische Geschichte, die Abrechnung mit einer „dämonischen“ Mutter, wie Elfriede Jelinek oft ihre Mutter nennt. Ein fast tödlicher Konflikt, der nie aufgelöst werden konnte. Vollkommen fühllos, in einer Mischung aus Beamtenjargon und wissenschaftlich-präziser Beobachtung, Lakonismen und Kalauern, beschreibt die personale Erzählerin ihre tragische Figur Erika, die seelisch an die diabolische, besitzergreifende, dominante Mutter gekettet ist:

Die Mutter rechnet Erika vor, sie, Erika, sei nicht eine von vielen, sondern einzig und allein. Diese Rechnung geht bei der Mutter immer auf. Erika sagt heute schon von sich, sie sei eine Individualistin. Sie gibt an, dass sie sich nichts und niemandem unterordnen kann. Sie ordnet sich auch nur schwer ein. Etwas wie Erika gibt es nur ein einziges Mal und dann nicht noch einmal. Wenn etwas besonders unverwechselbar ist, dann nennt man es Erika. Was sie verabscheut ist Gleichmacherei in jeder Form, auch beispielsweise in der Schulreform, die auf Eigenschaften keine Rücksicht nimmt. Erika lässt sich nicht mit anderen zusammenfassen und seien sie noch so gleichgesinnt mit ihr. Sie würde sofort hervorstechen. Sie ist eben sie. Sie ist so wie sie ist, und daran kann sie nichts ändern. Die Mutter wittert schlechte Einflüsse dort, wo sie sie nicht sehen kann, und will Erika vor allem davor bewahren, dass ein Mann sie zu etwas anderem umformt. Denn: Erika ist ein Einzelwesen, allerdings voller Widersprüche. Diese Widersprüche in Erika zwingen sie auch, gegen Vermassung entschieden aufzutreten. Erika ist eine stark ausgeprägte Einzelpersönlichkeit und steht der breiten Masse ihrer Schüler ganz allein gegenüber, eine gegen alle, und sie dreht am Steuerrad des Kunstschiffchens. Nie könnte eine Zusammenfassung ihr gerecht werden. Wenn ein Schüler nach ihrem Ziel fragt, so nennt sie die Humanität, in diesem Sinn fasst sie den Inhalt des Heiligenstädter Testaments von Beethoven für die Schüler zusammen, sich neben den Heros der Tonkunst mit aufs Postamt zwängend.

Aus: Elfriede Jelinek, Die Klavierspielerin (Seite 14)

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Gast
     
6. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 08.12.2004 um 16:47 Uhr

Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki zeigte sich "außerordentlich erfreut" über den Nobelpreis für Elfriede Jelinek. Es sei gut, dass zum ersten Mal seit Nelly Sachs wieder eine Repräsentantin der deutschsprachigen Literatur diese hohe Auszeichnung erhalten habe. Reich-Ranicki bezeichnete Jelinek als "äußerst extreme und radikale" Schriftstellerin.

"Meine Bewunderung für ihr Werk hält sich in Grenzen. Meine Sympathie für ihren Mut, ihre Radikalität, ihre Entschlossenheit und ihre Wut ist enorm", sagte er in Frankfurt.


Quelle: ZDFheute

Zitat
Gast
     
7. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 09.12.2004 um 13:38 Uhr

Ratlose Worte aus dem Abseits

Hier einige Ausschnitte aus Jelineks auf Video aufgezeichneter Dankesrede:

"Man achtet meiner nicht. Man achtet mich vielleicht schon, aber meiner achtet man nicht."

"Der Dichter steht immer im Abseits. Von dort sieht er einerseits besser, andererseits kann er selbst auf dem Weg der Wirklichkeit nicht bleiben. Er hat dort keinen Platz. Sein Platz ist immer außerhalb."

"Was bleiben soll, ist immer fort. Es ist jedenfalls nicht da. Was bleibt einem also übrig."


Schreiben sei eine "Art Lustkotzen"...

Man wolle es nicht, aber man müsse - und es sei ein unglaublich befreiendes Gefühl, wenn alles rauskommen dürfe. "Man tut ja immer, was man muss. Jetzt möchte ich einmal ausprobieren, wie es ist, wenn man tut, was man will", betonte sie zugleich. "Aber ich glaube, das kann ich nicht."


http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,331803,00.html



Zitat
Annemarie
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8. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 09.12.2004 um 15:20 Uhr

Man sollte sich darüber im klaren sein, daß Frau Jelinik erstens mal eine zeitgenössische Autorin ist und zweitens, was eben bei manchen Menschen, die stark polarisierend wirken, hinzukommt, auch eine Figur der öffentlichen Diskussion darstellt.
Ähnlich vielleicht wie bei MIchel Houellebecq, beim dem sich die Kritiker auch in zwei extreme Lager spalten.

Wenn ein Mensch in seiner Rolle als Autor eben das auskotzt, was andere sich nicht trauen auszukotzen, so liegt es vielleicht auche nahe, daß ein gewisses Maß an Neid und Mißgunst mit im Spiele ist. Warum sich denn sonst über eine Frau so aufregen, wenn es da im eigenen Inneren nichts gibt, wo sich etwas "einhaken" könnte?

Hermann Hesse hat zu diesem Thema einmal im "Klein und Wagner" ein paar sehr sehr schöne Sätze geschrieben. Sinngemäß geht es darum, daß, wenn ein Mensch sich über die Unmöglichkeiten, die Verfehlungen eines anderes Menschen über die Maßen aufregt, dann könnte ja mit ihm diesbezüglich auch etwas nicht ganz in Ordnung sein....

Etwas auszukotzen, ist nicht fein und schön. Und so MUSS ihre Sprache auch durchaus hässlich sein, weil sie sonst als Stilmittel nicht mehr stimmen würde. Ja, Uve, ich gebe Dir Recht, für den Autor ist das Buch die Bühne. Frau Jelinek ist sich dieser Tatsache m.E. sehr bewusst. Wenn wir uns das Moderne Schauspiel, den Modernen Tanz, die Moderne Musik anschauen, auch die Moderne Malerei, so können wir doch eigentlich selten von reiner Schönheit sprechen, oder?

Also ist die moderne Kunst, egal welchen Genres, verpflichtet, das Hässliche hervorzuzerren, herauszuwürgen, um es in die Welt zu schleudern, auf dass einigen ob dieses Aktes die Augen aufgehen mögen.
Auf daß sie das Hässliche in etwas Schöneres verwandeln mögen. Könnte dies der Auftrag der Modernen Kunst sein?

Annemarie

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Uve Eichler
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9. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 09.12.2004 um 15:35 Uhr

Hallo Annemarie,

ich greife mal einen Satz von dir auf.

----Auf daß sie das Hässliche in etwas Schöneres verwandeln mögen. Könnte dies der Auftrag der Modernen Kunst sein?----

Ich bin der Meinung, dass nicht das Hässliche schön geformt werden soll, vielmehr sollte die Aufmerksamkeit auf eine Situation gelenkt werden, und das wird auf jeden Fall getan.
Natürlich können die Argumetationen und Kritiken nicht immer das Wohlgefallen eines Künstlers finden. Das ist gut so. Würde es nicht so sein, dann wäre es sinnlos über geschaffene künstlerische Dinge zu reden. Insoweit muss ich mich Deinen Ausführungen anschließen, die ja schon im vorigen Satz gefallen sind.

-----Also ist die moderne Kunst, egal welchen Genres, verpflichtet, das Hässliche hervorzuzerren, herauszuwürgen, um es in die Welt zu schleudern, auf dass einigen ob dieses Aktes die Augen aufgehen mögen.-----

Damit wird doch einiges ausgedrückt.

Viele Grüße
Uve


Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich darin nur zurechtfinden.
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